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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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rotbraunen Marmorrauten hatte es mir besonders angetan; lustvoll ließ ich mich durch uralte optische Täuschungen verführen: einem Mosaik aus
    Treppenstufen, die sowohl auf- als auch abwärts zu führen schienen. Cora räkelte sich auf einer Kirchenbank.
    Als wir schließlich ins Freie traten, regnete es immer noch, die Taxis waren wie vom Erdboden verschluckt, doch ein fliegender Händler stand mit billigen bunten Plastikfolien bereit, die zwar penetrant an den nackten Beinen klebten, aber
    durchaus ihren Zweck erfüllten. Die Touristen spannen sich, wie wir auch, samt und sonders in rosarote, hellblaue und grünliche Kokons ein.
    Der Makler legte uns die Pläne vor. Das Anwesen war erst vor zehn Jahren nach den strengen Baugesetzen der Toskana renoviert und ausgebaut worden. Äußerlich hatte man zwar
    nichts an der traditionellen Architektur verändert, aber das
    Innere der Gebäude war entkernt, modernisiert und mit den edelsten Baumaterialien und teuersten Installationen ausgestattet worden. »Wenn Sie ernsthaft interessiert sind, müssen Sie schnell zugreifen«, riet er. »Für diesen Preis ist ein Haus mit einem so großen Grundstück im Handumdrehen verkauft. Außer Ihnen gibt es noch weitere solvente Kundschaft, zum Beispiel einen Industriellen aus Bologna und einen berühmten Schönheitschirurgen aus Rom.«
    Cora versuchte, den Preis ein wenig zu drücken. Man spreche in Castellina bereits von einem Fluch, der auf diesem Haus laste, was den Wert sicherlich drastisch mindern könne.
    Der Makler lächelte: »Sie scheinen mir keine Frau zu sein, die etwas auf abergläubisches Geschwätz gibt.«
    »Nein«, sagte sie und schenkte ihm einen warmen Blick, »Sie sind ein guter Menschenkenner! Aber ich denke, es wird Schwierigkeiten geben, genügend Personal zu finden.
    Bestimmt meidet die Landbevölkerung ein Mörderhaus wie der Teufel das Weihwasser.«
    Der Makler tat gekränkt: »Aber ich bitte Sie, wir Toskaner sind doch keine Hinterwäldler, sondern seit vielen hundert Jahren moderne und aufgeklärte Menschen!«
    Schleunigst schaltete ich mich ein und beklagte, daß wir Germanen zu Zeiten der Renaissance gerade mal mit der Höhlenmalerei begonnen hätten.
    Cora packte die kopierten Baupläne und Unterlagen in unsere Strohtasche und versprach, so bald wie möglich mit ihrer Bank zu sprechen.
    Mit neugierigem Interesse blickte ihr der Makler nach.
    Wo hat sie das Geld her? mochte er denken.
    »Hier sind die Leute aber schnell beleidigt«, meinte Cora später. »Sind wir auch so empfindlich?«
    »Ja, sicher«, sagte ich. »Oder wie würdest du reagieren, wenn man die Deutschen als Volk von Mördern bezeichnete?«
    »Das wäre wohl die letzte Unverschämtheit!« ereiferte sich Cora. »Politisch unkorrekt, rassistisch und vor allem frauenfeindlich. Mörder und Mörderinnen muß es heißen!«
    Wir sahen uns an und prusteten los.
    Wenn Cora sich auch heftig in das Landhaus verliebt hatte, so gab sie dennoch keine bindende Zusage, unterschrieb keinen Vertrag. Nach dem Gespräch mit ihrem Finanzberater war sie nicht mehr ganz so wild zum Kauf entschlossen wie anfangs.
    »Was meinst du, Maja?« fragte sie beim Frühstück. »Ob es sinnvoll ist, das ganze Kapital in ein einziges Projekt zu stecken? Ich könnte mir das Anwesen mit knapper Not leisten.
    Sollte man alles auf eine Karte setzen?«
    »Alles, was man besitzt, kann man wieder loswerden«, sagte ich. »Und wenn dich plötzlich eine Hazienda in Argentinien lockt oder eine Schweinefarm am Mekong, dann ade Italien!«
    »Argentinien! Mekong! Toskana! Mich fragt ihr überhaupt nicht«, schaltete sich Emilia, die neuen Kaffee gebracht hatte, plötzlich ein. »Dabei wißt ihr gar nicht, ob ich dort wohnen möchte! Kann man in dieser Wildnis überhaupt frische Muscheln kriegen?«
    »Mir kommen die Tränen!« sagte Cora. »Da will man das schönste Landgut, das es auf Erden gibt, kaufen, und Emilia zögert, ob es ihr fein genug ist.«
    »Quatsch«, konterte Emilia, »du drehst mir immer das Wort im Mund herum. Aber schließlich bin ich nicht mehr die Jüngste und reiße mich nicht darum, das Haus in Schuß zu halten.«
    »Für eine Putzfrau ist bereits gesorgt«, behauptete Cora kühn und sah mich dabei an.
    Unter diesen Umständen ließ mein Enthusiasmus ebenfalls erheblich nach.
    Vielleicht lag es also auch ein wenig an Emilia und mir, daß Cora eine Woche lang das Pro und Contra erwog. Schließlich rief sie in Siena an, um ihr Jawort zu geben.
    »Es tut mir leid«,
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