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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher
Autoren: Frank Demant
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Vorwort
    Um die Glaubwürdigkeit von Simon Schweitzer, der ja viel babbelt, wenn der Tag lang ist, zu überprüfen, bin ich im Frühjahr dieses Jahres dem Herrn nach Nord-Thailand und Laos nachgereist. Selbstverständlich habe ich mich dort, wie es sich für einen Autoren, der ernst genommen werden möchte, gehört, am Opium vergriffen. Natürlich ist dies auch dort verboten. Aber was tut man nicht alles für die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und genau wie Herr Schweitzer bin ich zu der ultimativen Erkenntnis gelangt, Opium ist für uns Frankfurter und Hessen nichts. Im Vergleich zu unserem guten alten Stöffchen Apfelwein schneidet dieses Rauschmittel ganz, ganz schlecht ab. Ja, man kann sogar sagen, und das sage ich jetzt sehr ungern, selbst eine Berliner Weiße hat bedeutend mehr Substanz. Und allen Skeptikern, die nun das Argument ins Feld führen, Robert De Niro habe aber in dem Filmklassiker „Es war einmal in Amerika“ ganz schön schief aus der Wäsche geguckt nach seinem Pfeifchen, sei gesagt, nirgends in der Welt wird mehr übertrieben als in Hollywood. Und so ist es auch. Kann sein, das möchte ich hier an dieser Stelle auch gar nicht ausschließen, daß Opium in der Tat die Sinne zu trüben imstande ist, jedoch bräuchte man dazu eine gehörige Anzahl von Pfeifchen und, was noch erheblich relevanter ist, jede Menge Zeit. Gerade letzteres haben die wenigsten von uns. Man muß ja auch arbeiten oder ähnlichen sinnlosen Unsinn ausüben.
    Und selbst wenn, guckt euch doch den De Niro bloß mal an in dem Film, mehr als ein debiles Lächeln kommt dabei nicht raus. Doch unser Apfelwein … ein bis zum Eichstrich gefüllter 16er-Bembel, zu zweit konsumiert, hach, was kann man da die Sau raus lassen, obendrein lustig sein und zum Abschluß, wenn das Verhältnis zum Wirt stimmt, in aller Harmonie über den Tresen kotzen. Zudem ist der Apfelwein in unseren Breiten etwas handelsüblicher, und unsere Gaumen sind mit ihm vertraut.
    Wer nach der Lektüre dieses Buches trotzig seine sauer verdienten Kröten in den Opiumhandel investieren möchte, der sollte sich in Leichtbierländer begeben, dort könnte noch was gehen. Ich empfehle hier, natürlich ohne Gewähr, die skandinavischen Staaten. Wer schon einmal Finnen oder Schweden zu Gast hatte, weiß, wovon ich rede. Nicht wenige von denen träumen davon, den Rest ihres Lebens im Apfelwein zu baden.
    So, jetzt muß ich aber mit der Geschichte beginnen, die Zeit drängt.

„Und, wie war’s?“ wollte Maria von der Heide wissen.
    „Opium kannste in der Pfeife rauchen“, erwiderte Herr Schweitzer zweideutig und entkleidete sich. Der Selbstversuch war eindeutig in die Hose gegangen. Kein halluzinogener Trip, keine Bewußtseinserweiterung, nichts. Das heißt, fast nichts, denn sein Herz schlug ein wenig heftiger als sonst, geradenwegs so, als habe er eine Tasse starken Kaffees konsumiert. Die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper war aber nach wie vor vorhanden. Und zwar vollständig. Er wurde den Verdacht nicht los, man habe ihn, den ehrbaren Bürger, kräftig über’s Ohr gehauen.
    Doch es war ein steiniger Weg gewesen, bis Herr Schweitzer zu der ultimativen Erkenntnis gelangen konnte, Opium könne man in der Pfeife rauchen.
    Der Tag zuvor. Dostojewski hat einmal gesagt, der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, daß er glücklich ist. Das ist grober Unfug. Herr Schweitzer nämlich war unglücklich, weil er nicht wußte, wie er es anstellen sollte, von dem Jugendlichen dort drüben an der Ecke als potentieller Kunde wahrgenommen zu werden. In Houay Xai hatte er die Chance verpennt, hatte wie eine Reflexamöbe reagiert. No, thank you, war seine voreilige Erwiderung gewesen, als er während eines Spaziergangs in den Seitenstraßen, weit weg vom Mekong, der Mutter aller Wasser, von einem verwegen aussehenden Mopedfahrer angesprochen worden war. Und der ihm genau das verkaufen wollte, was er eigentlich haben wollte.
    Jetzt, ein paar Tage später also, saß Herr Schweitzer in einem Café auf der Sakkarine Road und versuchte, die Rahmenbedingungen zu verstehen, die es ihm ermöglichen sollten, ins Geschäft zu kommen. Doch alles, was er bisher zu verstehen glaubte, war, daß offensichtlich nicht jeder als Kunde in Frage kam. Fünf Mal war der Knabe in der letzten Stunde mit einem Käufer hinter einem am Straßenrand geparkten, vermutlich fahruntüchtigen Armeelaster verschwunden. Nie länger als für eine Minute. Und immer hatte er
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