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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher
Autoren: Frank Demant
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Schicksalsschlag drückte auf’s Gemüt.
    Der 31. Januar war ein Mittwoch. Für zehn Dollar pro Person – in Laos konnte man in jeder der gängigen Währungen bezahlen – hatten Maria und er das Royal Ballet Pralak Pralam im Nationalmuseum besucht. Der zweite Teil der Vorstellung hatte unter Fackeln im Garten stattgefunden. Herr Schweitzer wollte einen letzten Versuch wagen, doch noch an Opium heranzukommen. Die Kasperlehose hatte er gleich am Morgen in den Mülleimer geschmissen, über Nacht hatte ihn nämlich der Realismus heimgesucht.

    Diesmal stellte er sich weniger dabbisch an. Ging direkt und ohne Umschweife auf den Dealer zu. Und Worte wie auf Zehenspitzen entströmten seinem Munde: „I will buy opium. You have?“
    So weit, so gut. Aber mit der Gegenfrage, ob er es grammweise haben wolle oder eine bereits fertiggedrehte Zigarette, hatte er nicht wirklich gerechnet. Umso erstaunlicher seine blitzschnelle Reaktion: „Two cigarettes, please.“ Für die andere Alternative hätte er sich noch eine Pfeife auf dem Markt kaufen müssen. Außerdem war er weder mit der Portionierung der Droge noch mit der Handhabung der Pfeife vertraut. Aber so eine Zigarette, überlegte er, das war schon ziemlich kundenfreundlich. Einfach anzünden, inhalieren und fertig war der Drogentrip. Und die acht Euro, die Herr Schweitzer zahlte, kamen ihm vor wie ein Freundschaftspreis.
    Noodles – gespielt von Robert De Niro – lag ausgestreckt auf einer Pritsche im Hinterzimmer eines chinesischen Theaters in New York und nuckelte gierig an einer Opiumpfeife. Ganz in Schwarz gekleidete Bedienstete versorgten die Süchtigen mit Tee. Noodles Augen glänzten. Noch ahnte er nicht, daß mächtige Feinde mit geladenen Pistolen hinter ihm her waren.
    Herr Schweitzer saß auf einer Bank am Ufer des Nam Khan Rivers, ein Nebenfluß des Mekong, und ging noch einmal die Szene aus dem Film Es war einmal in Amerika durch, die ihn mit Maria hierher geführt hatte. Es war ein Nachmittag im September des letzten Jahres gewesen, als seine Freundin ihm bei einer ihrer seltenen Auseinandersetzungen vorgeworfen hatte, er, Herr Schweitzer, werde immer träger und fauler und wenn er so weitermache, werde er sich überhaupt nicht mehr aus dem Bett bewegen. Erst war er recht bockig gewesen, hatte erwidert, daß selbst der große Churchill einmal hinterfragt habe, warum stehen, wenn man sitzen kann, und warum sitzen, wenn man liegen kann. Aber Herr Schweitzer war selbstkritisch genug, um einzusehen, daß Maria gar nicht mal so falsch lag. Und am Abend hatten sie dann gemeinsam und engumschlungen auf der Couch gelegen und sich besagten Film angeschaut. Da hatte er aber bereits darauf gelauert, es seiner Liebsten mal so richtig zu zeigen. Die Gelegenheit kam schnell. Die Szene mit De Niro in der Opiumhöhle war noch nicht vorbei, da hatte sich Herr Schweitzer vor Maria aufgebaut und mit erhobenem Zeigefinger doziert: „Das will ich auch. Das machen wir. Laß uns ins Goldene Dreieck in eine Opiumhöhle fahren, bevor’s zu spät ist.“ Doch Maria hatte mit: „Alles klar, Kleiner, jetzt komm wieder zu deinem Schatz“ geantwortet, was ihn gar arg grummeln ließ. Aus lauter Trotz hatte Herr Schweitzer ihr am nächsten Tag die zwei Flugtickets nach Nord-Thailand auf den Tisch geknallt.
    Und nun war er hier. Er, der Mann der Tat. Wie Robert de Niro kam er sich vor. Nein, noch viel heroischer. De Niro war ja bloß ein Schauspieler, während er das richtige Leben inszenierte. Unter ihm zerteilte ein Scheinwerfer die Nacht. Es war ein Moped, das über eine nur während der Trockenzeit aufgebaute hölzerne Brücke des Nam Khans fuhr. Dem Geknatter nach zu urteilen, war der Auspuff kaputt. Herr Schweitzer fühlte sich einfach nur großartig. Ich, dachte er, so weit weg von zu Hause, in einem Land, das nur wenige Touristen besuchen, und jetzt rauche ich gleich eine Opiumzigarette. Ha, alles nur Spießer, diese Frankfurter Junkies. Er wartete, bis der fette Europäer mit der zierlichen Asiatin, womöglich ein Katalogschnäppchen, an ihm vorüber waren.
    Herr Schweitzer schnurrte wie eine Katze vor dem Kamin, als er das Feuerzeug entzündete. Da er das Rauchen nicht gewöhnt war, stellte sich schon beim ersten Zug ein Hustreiz ein, den er nur mühsam unterdrücken konnte. Verstohlen blickte er sich um, ob nicht doch von irgendwoher noch die Polizei auftauchte. Aber so, wie er da saß, sagte er sich, war er doch nichts weiter als ein unbescholtener Tourist, der ein
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