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Zersplittertes Herz

Zersplittertes Herz

Titel: Zersplittertes Herz
Autoren: Lexi Ryan
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1. Kapitel
Maggie
    »Du lässt uns doch nicht hängen, oder?«
    Ich blinzle, bevor mir klar wird, was meine Schwester meint. Es ist Zeit. Zeit, mich dem hier zu stellen. Zeit, so zu tun, als wäre alles
ganz und gar in Ordnung
.
    Zeit für mich, zum Altar zu schreiten.
    Die Worte geistern in meinem Kopf herum.
Zum. Altar. Schreiten
. Als wäre es keine große Sache. Als wäre ich damit einverstanden.
    Lizzy gibt mir einen Schubser in Richtung der Türen, und jetzt kann ich es hören. Die Orgel. Prozessionsmusik. Das Summen, das durch das Flüstern der Menge entsteht.
    »Setz ein Lächeln auf dein Gesicht und
marsch
!«, zischt Krystal.
    Ich zeige ihr den Mittelfinger, bevor ich durch die Tür gehe.
    »Es wird alles gutgehen«, höre ich Lizzy sagen. »Sie wird es tun.«
    Das Murmeln meiner Schwestern verstummt im Hintergrund, während ich mich auf meine Aufgabe konzentriere. Mein Magen macht einen Satz, und meine Hände zittern hinter dem Blumenstrauß, aber ich klebe mir ein Lächeln aufs Gesicht und passe meine Schritte den schweren Akkorden der Orgel an.
    In diesem Moment sehe ich ihn.
    William Bailey steht ganz vorne in der Kirche, die Hände vor sich verschränkt. Sein Blick ist sengend und verzweifelt und liegt überall auf mir. Können die Gäste es ebenfalls sehen? Die Sehnsucht, die ihn überkommt, während ich mich nähere?
    Denkt er dasselbe, wie ich? Dass wir es sein sollten? Dass das
unsere
Hochzeit sein sollte?
    Oder glaubt er, ich war der größte Fehler seines Lebens?
    Daran darf ich nicht denken. Nicht hier. Nicht jetzt. Ich tue so, als bemerke ich seine fragenden Blicke nicht, als würde ich das immer lauter werdende Getuschel der Leute nicht hören. Doch unter all dem Taft und den Blumen, unter dem Reifrock und der Heuchelei, überwältigt mich, was aus mir geworden ist. Nur eine Brautjungfer. Nur eine Brautjungfer auf der Hochzeit meiner Schwester. Nur eine Brautjungfer auf der Hochzeit meiner Schwester und meines Exverlobten.
    Ein Sänger begleitet nun die Orgel, und das Summen des Flüsterns wird leiser – wie ein Schwarm Killerbienen, die von ihrem Ziel abgelenkt werden, als ihnen der Grund für ihre Anwesenheit wieder einfällt.
    Ich erreiche den Altar, Knöchel und Würde noch intakt, und atme erleichtert auf, als die versammelten Gäste ihre Aufmerksamkeit auf die nächste Brautjungfer lenken. Meine Schwestern schreiten, eine nach der anderen, nach vorne – so gut mit der hortensienblauen Dekoration abgestimmt, als wären sie Chamäleons.
    Das Blumenmädchen erscheint am Ende des Ganges, und die Menge steht auf.
    Beim Anblick meiner jüngsten Schwester spüre ich ein langes, hartes Ziehen in meiner Brust. Sogar im Alter von zehn Jahren ist sie ein kleines, zerbrechliches Ding mit leiser Stimme und wachem Geist. Zu jung, um Brautjungfer zu sein, aber zu alt für ein Blumenmädchen sieht sie aus wie eine Kinderbraut – halb ertrunken in weißem Tüll.
    Endlich betritt Krystal den Raum. Mit den dichten, braunen Locken hoch auf ihrem Kopf aufgetürmt und dem Lächeln, das ihre Lippen umspielt, verkörpert sie den Hochzeitstraum eines jeden kleinen Mädchens.
    Kameras blitzen. Frauen seufzen. Taschentücher im Überfluss.
    Ich blicke wieder zu Will und bin nicht überrascht, dass er mich beobachtet. Zum hundertsten Mal, seitdem ich letzten Monat nach Hause zurückgekehrt bin, ertappe ich mich dabei, wie ich mich an die Geborgenheit seiner Umarmung erinnere. Warum konnte ich nicht dort bleiben?
    Als seine Braut in der Mitte des Ganges angekommen ist, macht Will einen Schritt in ihre Richtung.
    Er wird es durchziehen. Er wird sie wirklich heiraten.
    Im selben Moment, in dem er ihre Hand nimmt, schaltet sich die Klimaanlage ein. Zuerst hört man nur ein paar Leute murmeln. Ihr Flüstern zieht sich durch die Gästereihen und lässt mich und meine Schwestern verwirrte Blicke wechseln.
    Will stolpert zurück und bedeckt eilig seinen Mund.
    Die Augen meiner Mutter verdrehen sich, und sie fällt zu Boden.
    Einen Atemzug später rieche ich es. Der Geruch garantiert, dass Krystals Hochzeit so unvergesslich wird, wie sie es sich erträumt hat. Niemand würde jemals die Hochzeit vergessen, auf der es nach verfaulender Leiche gerochen hat.
    Ein Würgen steigt meinen Hals hoch, als der Geruch sich verstärkt. Meine Schwestern verstecken ihre Nasen in den Blumensträußen. Sekunden später stößt die Braut ein Keuchen aus. Ihr Gesicht verzieht sich, und sie
heult auf
. Würgegeräusche schallen durch die
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