Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
Vom Netzwerk:
Hausangestellte denn als ältere Freundin.
    »Wie geht es unserem Kleinen?« fragte sie als erstes. »Du hast vergessen, seinen geliebten Balu einzupacken! Kann er ohne Teddy einschlafen, und fragt unser Schätzchen auch nach mir?«
    Bela sei wohlauf, versicherte ich ungeduldig, was denn Cora und Felix vorhätten, ob sie morgen zurückkämen?
    Nein, nein, sagte Emilia, das sei sicher ein Mißverständnis, es sei unerträglich heiß in Florenz, morgen wollten sie alle zusammen ans Meer oder aufs Land fahren.
    »Ohne mich?« fragte ich naiv.
    »Aber, Maja, du wolltest doch unbedingt die arme kranke Großmutter versorgen«, sagte Emilia. »Ich hätte dir so viel Selbstlosigkeit gar nicht zugetraut. Natürlich werde ich die beiden ganz herzlich von dir grüßen, im Augenblick sind sie nicht hier, Sightseeing, verstehst du.«
    Mir entfuhr ein Fluch, bei dem Emilia aus pädagogischen Gründen unverzüglich auflegte.
    Ich überlegte allen Ernstes, ob ich mit der Karre von Max den beiden nach Italien hinterherfahren sollte, Felix könnte ja später die Heimreise damit antreten.
    Cora, dachte ich unentwegt, warum kündigst du mir die Freundschaft auf? Wofür willst du mich bestrafen? Haben wir bisher nicht immer alles gemeinsam ausgefressen? Deinen Felix hätte ich dir schon nicht weggenommen. Oder sollte ich nicht merken, wie sie mit einem Blutsverwandten unter der Decke verschwand?
    Andy schaffte es, bereits gegen Mittag aufzustehen. Ein ausgiebiges Frühstück gehörte wohl nicht zu seinen Angewohnheiten, denn er schälte sich bloß einen Apfel und trank Kakao aus der Tüte, wie es in dieser WG offenkundig Brauch war.
    Meine finster gefurchten Brauen schienen ihn allerdings zu amüsieren. »Guck mal in den Spiegel, was du für ein Gesicht machst! Dabei ist heute endlich das berühmte Wetterchen zum Eierlegen. Soll ich euch mit dem Taxi ins Schwimmbad fahren?«
    »Nein«, sagte ich, »ans Meer bitte.« Im übrigen hätte ich das Auto von Max und sei unabhängig.
    »Paß bloß mit der Bremse auf«, sagte Andy, »ich würde mich niemals freiwillig in diese Schüssel setzen.«
    Warnungen dieser Art nehme ich ernst. Als Andy fort war, fand ich im Keller ein altes Fahrrad. Bela zeigte sich hocherfreut über die unerwartete Landpartie auf einem schwarzen klappernden Ungetüm und umklammerte mit beispielhafter Folgsamkeit meine Taille. Andere radelnde Mütter, die ihre Jüngsten auf einen Kindersitz gepackt hatten, gaben mir erregte Zeichen. »Das ist verboten!« brüllte mir eine trampelige Kuh hinterher.
    »Typisch deutsch!« stellte ich fest.
    Aber in einer Kurve wurde mir klar, wie gefährlich es war und daß die Kuh recht hatte. Wir stellten das Rad vor dem nächsten Kaufhaus ab, wo ich zwei andere Räder mit mustergültigen Kindersitzen entdeckte. Zu meinem Bedauern hatte das Warenhaus keine Werkzeugabteilung, ich mußte einen weiteren Laden aufsuchen.
    »Ich habe den Schlüssel für mein Fahrradschloß verloren «, log ich, »zu Fuß komme ich mit dem kleinen Kind nicht heim, es kann nicht so weit laufen. Könnten Sie mir mit einer geeigneten Zange aushelfen?«
    Man belehrte mich, daß so eine Zange Bolzenschneider heiße und sie durchaus nicht billig sei. Verliehen würde grundsätzlich nichts.
    Entmutigt begaben wir uns wieder nach draußen und aßen ein Eis. Gegen Mittag sah ich mehrere Frauen mit leeren Kindersitzen vorbeiradeln, die wahrscheinlich ihre Kleinen abholen wollten. Eilig nahm ich die Verfolgung auf, tauschte vor einem evangelischen Gemeindekindergarten das eigene Rad gegen ein besser ausgerüstetes und hob den jubelnden Bela in einen lila Kindersitz.
    Verschwitzt kam ich in der WG an. Cora und Felix lümmelten jetzt bestimmt in Liegestühlen am Meer und tranken Campari. Die Sommertage im vergangenen Jahr kamen mir in den Sinn, die wir unbeschwert und fröhlich miteinander verbracht hatten, während Bela und Emilia unermüdlich Muscheln sammelten.
    Als das Telefon klingelte, glaubte ich tatsächlich, es könne nur die reumütige Cora sein, die auf der Stelle die Rückreise antreten wollte, um mich aus meinem Gefängnis zu befreien. Statt dessen war es ihre Großmutter. »Wie geht es Ihnen, Maja?« fragte sie fürsorglich. »Ich hoffe, das Kind muß nicht unter der Hitze leiden!«
    Mißmutig versicherte ich, wir wären von Italien her ganz andere Temperaturen gewohnt.
    »Hören Sie«, sagte die alte Dame, »ich habe etwas Wichtiges vergessen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich Sie um eine kleine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher