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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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und ließ mich neben meinem Sohn nieder.
    »Dein Hund?« fragte ich und erfuhr, daß er einem Mitbewohner gehöre.
    »Max wollte den Hund nicht nach Irland mitnehmen, obwohl die Quarantäne-Vorschriften gelockert wurden.
    Zilli ist auch gerade verreist, sonst ginge es in unserer Küche turbulenter zu.«
    In Italien hatte ich mir das Frühstücken zwar weitgehend abgewöhnt, aber Emilia kochte uns stets einen Espresso, wenn wir aus den Federn krochen. Suchend sah ich mich um, doch Felix sprang bereits auf und kramte in einem Regal, wo er auch tatsächlich ein Glas mit Instantkaffee fand.
    Als Cora erschien, nahm sie mir wortlos meine Tasse aus der Hand und trank sie aus, dann griff sie zur Sprudelflasche.
    Nachdem sie ihren Flüssigkeitshaushalt einigermaßen reguliert hatte, sagte sie mit verdächtiger Wärme: »Felix und ich haben gestern Abend festgestellt, daß er die Toskana gar nicht kennt. Jetzt, wo er Ferien hat... «
    Fragte man mich um Erlaubnis? Ich nickte kurz, was sollte ich auch dagegen vorbringen?
    »Da ist nur die Sache mit Oma«, sagte Cora. »Meine Tante hat dummerweise gerade ihren Jahresurlaub genommen und ist nach Bali geflogen.«
    Ich schaltete immer noch nicht. Was gingen mich Coras Tante und Oma an?
    »Außerdem muß der Hund ausgeführt werden«, fuhr Cora fort.
    Langsam schwante mir etwas, aber ich schwieg.
    »Maja ist sicherlich so lieb«, sagte sie zu Felix, »und bleibt ein paar Tage als Vertretung hier. Für Bela ist es bestimmt ein tolles Abenteuer.«
    Felix protestierte. Das könne man mir nicht zumuten.
    »Aber doch nur für ein paar lächerliche Tage«, wiederholte Cora und lächelte Felix an. »Dann bringe ich dich wieder zurück nach Darmstadt und hole Maja und Bela ab.«
    Im Nu hatten sich die beiden darauf geeinigt, daß man es mir doch zumuten könne. Das Auto von Max stehe mir zur Verfügung, und ich könne täglich einen schönen Ausflug mit Hund und Kind unternehmen, am Nachmittag mal bei der Großmutter reinschauen und ihr gelegentlich eine Kleinigkeit zum Essen...
    »Hat sie eine Putzfrau?« fragte ich.
    Aber nein, eine alte Frau spiele schließlich nicht im Sand wie Bela, da gebe es nicht viel zu putzen. Außerdem ertrage sie keine Fremden in ihrem Haus.
    Das konnte ja gut werden.
    Zwei Stunden später hatte Felix hektisch eine Reisetasche gefüllt, sich bei seiner Großmutter telefonisch verabschiedet, mir gezeigt, wo der Klopapiervorrat und das Hundefutter lagerten, und sich dann zu Cora ins Auto geschwungen.
    Wer mag es schon, wenn Entscheidungen gegen den eigenen Willen getroffen werden? Ich fühlte mich wie eine Strafgefangene, die man auf der Pfefferinsel ausgesetzt hatte. Grimmig packte ich mein Köfferchen aus und zog das Doppelbett ab, das mir bei Tageslicht längst nicht so einladend erschien wie gestern nacht. Bela hatte sich mit dem namenlosen Köter bereits angefreundet; da er mit Emilias Hund Pippo aufgewachsen war, hatte er keinerlei Skrupel, einem fremden Vierbeiner mit seinen Patschhänden in den Rachen zu greifen.
    Ich begann erst einmal damit, die fremde Wohnung zu inspizieren. Anscheinend hatte jeder Bewohner ein eigenes Zimmer, gemeinsam genutzt wurden Küche und Bad. Felix hauste an der Straßenseite offenbar in einem ehemaligen Frisörsalon, was man noch an den vielen Wasseranschlüssen erkennen konnte. Das zugehörige Schaufenster war vollgestopft mit Kram, den er für originell und dekorativ hielt: ein leerer Vogelkäfig zum Beispiel und ein biedermeierliches Korsett. Gegen Möchtegernkünstler hatte ich schon immer Vorurteile.
    Das Zimmer von Max, der Elektrotechnik studierte, verriet sich durch eine professionelle Werkbank, während die Kemenate, in der ich geschlafen hatte, auf eine weibliche Besitzerin schließen ließ. Es war der schmutzigste Raum.
    Im nächsten Zimmer lag Andy im Bett, was ich nicht erwartet hatte. »Ich suche...«, stotterte ich. »Wo steht die Waschmaschine?«
    Der Student sah auf die Uhr. Gut, daß ich ihn geweckt hätte, gleich beginne seine Schicht. In den Ferien - und auch sonst zuweilen - arbeite er als Taxifahrer. »So gut wie Felix hat es nicht jeder. Der wirft alle vier Wochen bei seiner Großmutter den Staubsauger an - oder noch besser: er läßt es seine Freundin machen und kassiert dafür zwei Blaue.«
    Ich erklärte, daß ich in den nächsten Tagen diese Aufgabe übernehmen müsse.
    »Bist du seine Neue?« fragte Andy.
    Um nicht noch einmal einen Fauxpas zu begehen, erkundigte ich mich nach den Arbeitszeiten der
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