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Selige Witwen

Selige Witwen

Titel: Selige Witwen
Autoren: Ingrid Noll
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»Haushälterin!«
    »Ich selbst besitze rein gar nichts«, versicherte ich, »aber meine Freundin Cora ist reich, vor ein paar Jahren hat sie einen Millionär geheiratet und beerbt.«
    »So jung und schon Witwe?« fragte Kathrin. »Und wie ist es mit dir? Wer ist der Vater von Bela?«
    »Wir leben getrennt«, sagte ich. »Mein Mann heißt Jonas, wohnt im Schwarzwald und ist... nun ja, er ist Landwirt.«
    Seit einer vollen Woche lebte ich bereits unfreiwillig in Darmstadt. Mein Zustand konnte mit vier Worten ausgedrückt werden: Bestellt und nicht abgeholt. Coras Großmutter war wieder fit und brauchte mich nicht, der Hund wurde notfalls von Andy oder Kathrin ausgeführt. In ihrem als Sommerfrische deklarierten Liebesnest war Cora nicht zu erreichen; sie schien ihr Handy ausgeschaltet oder verloren zu haben.
    Da die 300 Mark von Felix längst ausgegeben waren, mußte ich ganz gegen die Prinzipien meiner mühsam erreichten Rechtschaffenheit wie einst als Teenager im Kaufhaus klauen. Aber ich war weder selbstsicher noch kunstfertig wie damals; was früher ein Jux gewesen war, fiel mir jetzt schwer.
    In meiner Not rief ich Jonas an. Von meinem Mann hatte ich bisher keinen Unterhalt für Bela und mich verlangt, obwohl er es angeboten hatte. Einmal im Jahr nahm er unseren Sohn zu sich auf den Bauernhof und brachte ihn drei Wochen später wieder zurück nach Italien. Wenn es aber nach seinem Willen gegangen wäre, hätte Jonas seinen Stammhalter täglich um sich gehabt.
    Wie zu erwarten war, witterte Jonas Morgenluft. »Am Sonntag hole ich euch ab!« sagte er begeistert. »Wo seid ihr?«
    Wohlweislich verriet ich es nicht, aber wohin sollte er mir dann seinen Scheck schicken?
    »Wir werden uns in Freiburg treffen«, schlug ich vor, »du könntest Bela für drei bis vier Tage zu dir nehmen und mir bei der Gelegenheit mit ein paar Scheinen über einen momentanen Engpaß hinweghelfen. Wenn Cora aus Italien zurückkommt, fahren wir bei euch vorbei und sammeln das Kind wieder ein.«
    Jonas war einverstanden.
    Am Abend weihte ich Kathrin in meine Pläne ein. In ihrem kargen Zimmer saßen wir auf dem abgewetzten Teppichboden,
    Bela kobolzte auf ihrem Futon herum. Sie bedauerte, daß die meisten ihrer Habseligkeiten in der Wohnung ihres Mannes zurückgeblieben waren; die Orchideen- und Katzensammlung habe sie nach ihrer Flucht nur deshalb heimlich hergeholt, weil ihr Mann sie sonst in die Mülltonne geworfen hätte.
    »Fiore«, sagte Bela und drückte mir sieben abgerupfte weiße Blüten in die Hand.
    Kathrin wurde ärgerlich. »Meine schöne Phalaenopsis! Die blüht erst wieder in neun Monaten, wenn überhaupt!«
    Ich entschuldigte mich für meinen Sohn, der in letzter Zeit allzuviel Unsinn anstellte. »Morgen bringe ich Bela für ein paar Tage zu seinem Vater«, sagte ich. » Dann könnte ich dich mal nach Frankfurt begleiten.«
    Dieser Vorschlag gefiel Kathrin. »Wir scheinen uns in einer ähnlichen Situation zu befinden«, bemerkte sie, »nur daß ich kein Kind habe und im Gegensatz zu dir meinem Mann nie wieder begegnen möchte.«
    Was mochte er ihr angetan haben?
    Ich hatte viel zu wenig zum Anziehen mitgenommen, da ich mich bloß auf eine dreitägige Reise eingestellt hatte. Die Kleider der Studentin, in deren Zimmer ich hauste, waren billig und ungewaschen; an die wenigen Sachen von Kathrin traute ich mich nicht heran. Leise fluchend steckte ich meine und Belas Jeans in die Waschmaschine und hoffte, daß sie bis zum nächsten Tag trockneten. Dann stand ich in Slip und BH vor dem Waschbecken und wusch meine zwei seidenen Blusen, während Bela in der Wanne saß. Jonas sollte mich nicht für verwahrlost halten und seinen Sohn schon gar nicht. Als es am Abend etwas kühler wurde, zog ich einen Bademantel - von Max, Felix oder wem auch immer - über.
    Andy, der keine regelmäßigen Arbeitszeiten hatte, überraschte mich, wie ich auf dem Balkon eine Zigarette rauchte.
    »Mein Neglige steht dir gut«, sagte er, »hast wohl nicht genug Klamotten eingepackt?«
    Ich nickte bedauernd.
    »Komm«, sagte er, »direkt vorm Haus parkt das Taxi.
    In Darmstadts feinster Gegend ist am Montag Altklei der sammlung, und die Säcke liegen bereits am Straßenrand.
    Sollen wir eine kleine Spritztour machen und eine geballte Ladung einkassieren? Dann schauen wir mal, ob etwas für dich dabei ist.« Ich fand die Idee ziemlich abwegig, schließlich wollte ich nicht die Kleider verstorbener Omas auftragen.
    Andy behauptete, er habe schon öfter die
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