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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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Umfeld.
    Ein weiteres Problem, das dringend gelöst werden muss und mich sehr beschäftigt, ist die Altersarmut von Frauen. Auch sie rührt oft daher, dass Frauen nur in Teilzeit erwerbstätig sind und sich ansonsten der Familienarbeit widmen. Alles greift ineinander. Wenn es so weitergeht mit der Fraktionierung von Arbeit, den vielen Mini-, Midi– und Halbtagsjobs bei Frauen, wird das Ergebnis eine alarmierende Zunahme der Verarmung von Frauen im Alter sein. Wäre Ganztagsbetreuung weiter verbreitet, könnten Frauen verstärkt erwerbstätig sein, mehr in die Sozialversicherungen einzahlen und damit besser für ihren eigenen Lebensabend vorsorgen. Sie müssten es dringend tun, denn viele von ihnen haben nur ein Kind. Das heißt, die nachwachsende Generation ist zahlenmäßig nicht stark genug, um die Versorgung der vorangegangenen Generation zu leisten.
    Viele andere Fragen harren der politischen Lösung: Wir haben zum Beispiel einen gesetzlichen Anspruch auf Reduzierung von Vollzeit– auf Teilzeitarbeit, aber keinen Anspruch auf Umwandlung einer Teilzeit– in eine Vollzeitbeschäftigung. Das muss sich ändern, das kann sich auch ändern. Dafür engagiere ich mich.
    Häufig werde ich angesprochen: Wie konnten Sie sich bloß für die Teilzeit einsetzen? Nun, damals, als ich es tat, gab es nur zwei Alternativen im öffentlichen Dienst: Entweder ich arbeite Vollzeit, oder ich verliere meinen Beruf. Es war richtig, diesen Missstand zu beheben, um Frauen vor dem Verlust ihres Berufes zu bewahren. Aber ich sehe heute die Fehlentwicklung, die sich daraus ergeben hat. Also müssen Lösungen gefunden werden, die die einkommensreduzierte Teilzeitarbeit oder die einkommenslose Familienbeurlaubung in Bezug auf die Altersvorsorge anders absichern als bisher.
    Wir brauchen auch, endlich, das Wahlrecht von Geburt an. Wir brauchen Kinderrechte im Grundgesetz. Die Ungerechtigkeit des Ehegattensplittings, das augenblicklich unabhängig von zu versorgenden Kindern besteht, muss ein Ende haben. Es gibt so viel zu tun!
    Gott sei Dank setzen sich viele Menschen mit Energie, Freude und Können für mehr Gerechtigkeit ein. Deshalb bin ich mir sicher: Die notwendigen Änderungen und Neuerungen werden kommen. Nicht heute oder morgen, vielleicht auch nicht zu eigenen Lebzeiten – aber irgendwann gewiss. Man muss einen langen Atem haben, darf nie aufhören mitzudenken und, wenn nötig, zu handeln.

Es ist Zeit
    »Lore, du musst eine Autobiographie schreiben!« Mein lieber, langjähriger Freund Hubertus Meyer-Burckhardt war der Erste, der das sagte.
    »Sonst noch etwas?«, fragte ich frech und lachte.
    »Nein danke, weiter nichts. Nur: Du solltest wirklich ein Buch schreiben.« Er blieb ernst und schaute mir tief in die Augen.
    »Ach, lass mal, Hubertus.« Schnell wechselte ich das Thema. Sein Vorschlag hatte mich verunsichert.
    Es war in Berlin, vor sehr vielen Jahren. Wir saßen im Restaurant Borchardt beim Mittagessen. Der Gedanke, ein Buch über mich selbst zu schreiben, war mir völlig fremd. Ich fand mich nicht bedeutend genug.
    In den folgenden Jahren kam es immer öfter vor, dass Menschen mich fragten, ob ich nicht eine Autobiographie schreiben wolle, oder mich direkt dazu aufforderten. Natürlich freute ich mich über die Wertschätzung und Anerkennung, die in dieser Aufforderung lagen. Doch ich winkte jedes Mal ab. Zum einen konnte ich mir nicht vorstellen, dass mein Leben lesenswert sei ; zum anderen wusste ich nicht, woher ich die Zeit zum Schreiben nehmen sollte. Als ich meiner Tochter Andrea von den Anfragen erzählte, warnte sie mich: »Bloß nicht! Bitte, Mama, schreib tausendmal an die Wandtafel: ›Ich darf keinen Verlagsvertrag abschließen!‹« Sie erinnerte sich lebhaft daran, wie sehr mich der Staudinger in Anspruch genommen hatte. Die Konsequenz für mein Privatleben war, dass ich mehrere Jahre kaum noch eines hatte. Auch hatten mich meine Selbstzweifel, ob ich die erforderliche Qualität der Kommentierung erreichen könnte, fast um jede Lebensfreude gebracht.
    Im Frühling 2010 erhielt ich einen Anruf von einem höflichen jungen Mann. Er arbeite in der Buchbranche, erzählte er mir, und sei durch ein Interview im Berliner Stadtmagazin Zitty auf mich aufmerksam geworden. Ob ich wohl zu einem persönlichen Gespräch mit ihm bereit wäre? Es würde ihn sehr freuen. Aus einer spontanen Laune heraus sagte ich zu.
    Wir führten eine lange Unterhaltung, es folgten weitere Treffen. Der junge Mann erkundigte sich nach
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