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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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perfektionieren. Schritt drei: Aufsteigen und Mitstreiter überholen. Schritt vier: An der Spitze ankommen. Erst nach Erreichen von Schritt vier können wir neue, eigene Regeln aufstellen. Als Senatorin habe ich diese Chance gern und oft genutzt. Und je mehr Frauen die Chefetagen erreichen, desto weiter werden sich ihre neuen, »weiblichen« Regeln durchsetzen. Am Ende haben wir möglicherweise eine weitaus weniger hierarchische Struktur in vielen Unternehmen, vielleicht erreichen wir langfristig eine Demokratisierung der Wirtschaft. Das käme nicht nur dem Betriebsklima zugute, sondern würde voraussichtlich das Ergebnis, den Erfolg des Unternehmens steigern.

    Vor langer Zeit wies Julia Dingwort-Nusseck, die damalige Präsidentin der niedersächsischen Landeszentralbank, darauf hin: »Wenn es in dem bisherigen Tempo weitergeht, werden wir im Jahre 2230 den Zustand der Gleichberechtigung von Frau und Mann erreicht haben.« Sie hatte eine schlichte Hochrechnung erstellt, die wohl immer noch gültig ist, denn das Tempo hat nicht zugenommen. Über eine stärkere Beteiligung von Frauen an gesellschaftlichen Entwicklungen und Entscheidungen denken wir in Deutschland spätestens seit Beginn der achtziger Jahre nach. Die Grünen führten bereits bei der Gründung ihrer Partei 1979 die Gleichverteilung von Ämtern an Männer und Frauen ein. Knapp zehn Jahre später beschloss die SPD eine Frauenquote. Seither diskutiert man über die verstärkte Beteiligung von Frauen in Führungspositionen auch in der Wirtschaft – ohne jeden Erfolg.
    Je nachdem, wie man rechnet, haben wir heute zwischen zwei und zehn Prozent Frauen in hohen Führungspositionen. Wenn dreißig Jahre lang nur geredet wurde, in der Praxis aber nichts geschah, dann zieht ein politisch denkender Mensch daraus die Schlussfolgerung: Hier helfen nur noch gesetzliche Regeln. In diesem Fall ist das die gesetzlich verbindliche Frauenquote. Frauen und auch manche Männer aller politischen Parteien setzen sich heute dafür ein. Niemand von ihnen empfindet die Quote als angenehm, aber alle sehen die Notwendigkeit. Viviane Reding, EU-Kommissarin für Grundrechte, brachte es auf den Punkt: »Ich mag die Quote nicht, aber ich mag, was sie bewirkt.«
    Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen belegen, dass Unternehmen, die zu einem gewissen Teil von Frauen mit geleitet werden, eindeutig bessere wirtschaftliche Erfolge erzielen als Firmen, in denen keine oder nur vereinzelt Frauen entscheidende Posten bekleiden. Dieser Mechanismus ist weithin bekannt und nicht verwunderlich, denn grundsätzlich arbeiten heterogene Teams effektiver als homogene. Wenn jüngere und ältere Menschen kooperieren, Menschen mit verschiedenen Begabungen und Ausbildungen, mit unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründen und so weiter, dann verspricht solch eine Konstellation Erfolg. Selbstverständlich auch, wenn beide Geschlechter vertreten sind. Dass viele Männer immer noch die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen auf der Führungsebene verhindern wollen, bedeutet: Diese Männer verzichten lieber auf Erfolg als auf Macht. Und das in unserer kapitalistischen, so sehr vom Erfolg geprägten Welt!
    Noch heute fürchten sich manche Frauen davor, eine »Quotenfrau« zu sein. Sie wollen nicht aufgrund ihres Geschlechts Karriere machen, sondern aufgrund ihres Könnens. Ich denke genauso, weiß aber aus langer Berufserfahrung: Auch als Quotenfrau haben sie reichlich Gelegenheit, ihr Können zu beweisen und ihre Auswahl qua Quote durch die Qualität ihrer Arbeit zu rechtfertigen. Oft genug war ich selbst Quotenfrau und bekam dabei stets zu spüren: Wer nicht genug leistet, ist ganz schnell wieder weg vom Fenster, wird von anderen verdrängt. Die Quote ermöglicht den Zugang, mehr nicht. Die anschließende Arbeit ist die eigentliche Chance und Herausforderung. Sie muss ich bestehen – dann spricht kein Mensch mehr von einer Quotenfrau.
    Oft heißt es, die Quote sei ein elitäres Thema. Das stimmt, denn es geht ja in erster Linie um Führungspositionen. Die Konsequenz daraus ist jedoch nicht elitär, sondern betrifft die ganze Gesellschaft. Denn von dem Moment an, in dem Frauen einen Großteil der Macht in Wirtschaftsunternehmen innehaben, wird sich dort, aber auch jenseits der Unternehmen vieles ändern, vieles bessern – wie etwa die verstärkte Einführung von Ganztagsbetreuung für Kinder ; oder Regeln zur Vereinbarkeit von Berufsausübung und Altenpflege im familiären
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