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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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Sie schuf eine Büste von mir, die nun in meiner Wohnung steht. Neben den Treffen und dem dort stattfindenden Austausch unter Frauen, die in leitender Position arbeiten oder beruflich selbständig sind, steht der Wohltätigkeitsgedanke im Vordergrund. Die Zontians spenden für soziale Zwecke und organisieren Veranstaltungen mit dem Ziel, Spendengelder zu sammeln. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Internationalität ; ohne Aufwand können Zonta-Mitglieder aus verschiedenen Städten oder Ländern einander um Informationen oder Rat bitten. Auch haben Zonta-Frauen, die viel und weit reisen – was ich nie getan habe –, überall Anlaufstellen und Ansprechpartnerinnen.
    Zonta-Mitglied kann man nur auf Aufforderung werden, genauso ist es mit den Mitgliedschaften in Gesellschaftsclubs wie dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), dem Berlin Capital Club oder dem Übersee Club in Hamburg. Nach und nach wurde ich bei diesen Vereinen zur Mitgliedschaft aufgefordert und bin diesen Aufforderungen selbstverständlich gefolgt. Die Räumlichkeiten der Clubs nutze ich gelegentlich für Treffen mit Kollegen, Mandanten oder Mandantinnen. Der Berlin Capital Club und der Übersee Club haben beide eine ausgezeichnete Küche, ich esse gern dort. Auch gibt es interessante Veranstaltungen, zum Beispiel die Politiker– oder Wirtschaftskapitänsfrühstücke montagmorgens um acht Uhr im Berlin Capital Club. So treffe ich ständig neue Menschen und höre manches Mal Vorträge über Themen, von denen ich zuvor nur weniges wusste. Ich finde das alles sehr inspirierend und würde mich immer wieder dafür entscheiden, einem solchen Netzwerk beizutreten.
    Die einzigen Netzwerke, die ich grundsätzlich ablehne, sind Seilschaften, bei denen es nur darum geht, einander die höchsten und am besten dotierten Posten zu verschaffen und Dritte auszugrenzen. Solche Seilschaften gibt es nach meiner Erfahrung seltener bei Frauen, öfter bei Männern. Im Vergleich zu engmaschigen Netzwerken sind sie nicht sehr haltbar und verlässlich. Trotzdem funktionieren manche derartige Seilschaften über viele Jahrzehnte. Auch das könnte sich ändern, je mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen vorrücken.

Und weiter geht’s
    Bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen im September 2001 bekam die SPD 36,5 Prozent der Wählerstimmen und konnte so das Vorwahlergebnis noch etwas steigern. Aber die Grünen verloren so stark, dass beide Parteien zusammen nicht mehr die Mehrheit in der Bürgerschaft hatten. Die CDU, die nur 26 Prozent der Wählerstimmen erhalten hatte, bildete eine Koalition mit der FDP und der neuen Partei Rechtsstaatlicher Offensive, vulgo: Schill-Partei. Gründer und Vorsitzender war der Hamburger Amtsrichter Ronald Schill, seine rechtspopulistische Partei hatte aus dem Stand knapp 20 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Ihre Popularität verdankte sie allein dem Vorsitzenden, der sich schon als Richter sehr um Medienpräsenz bemüht hatte und wegen mehrerer Urteile mit sehr überzogenem Strafmaß von der Presse »Richter Gnadenlos« getauft worden war. Sein Auftreten wirkte oft unkonzentriert, seine Argumentationsweise unschlüssig. Inhaltlich waren viele seiner Aussagen inakzeptabel. So erklärte er in einem Interview mit der Zeitschrift Focus : »Ich bin ein Gegner der Todesstrafe, aber ein ziemlich leidenschaftsloser. In Deutschland besteht zurzeit keine Notwendigkeit, sie einzuführen.«
    Auch behauptete er, das Prinzip der Resozialisation von Straftätern habe versagt – »Ich setze lieber auf Abschreckung durch harte Strafen«. Vielen in der Stadt galt er als nicht akzeptable Person. Dennoch mobilisierte er mit seinen Stammtischparolen viele »Wutbürger«, wie sie später genannt wurden, und er erzielte einen – wenngleich nur kurzfristigen – Erfolg. Er wurde Innensenator und Zweiter Bürgermeister. Ein knappes Jahr später sorgte er für einen Eklat im Bundestag, als er in einer Rede behauptete, Deutschland könne seine Probleme unter anderem deshalb nicht mehr lösen, weil zu viel Geld für Auslandshilfen, Zuwanderung und Gefängniskomfort ausgegeben werde. Er redete sich so in Rage, dass ihm nach weit überschrittener Redezeit das Mikrofon abgeschaltet wurde.
    Am Montag nach dem Wahlsonntag im September 2001 erhielt ich einen Anruf von einer Berliner Anwaltskanzlei. Der Kanzleigründer erklärte, ich möge doch darüber nachdenken, als Rechtsanwältin zu arbeiten – er würde sich freuen, mich in seine Kanzlei
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