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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben
Autoren: Torsten Sträter
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Charakterzug.
    Da will einer dazulernen.
    Â»Gut, gut«, sage ich und klicke ein paar Mal mit dem Kuli. »Harter Analverkehr?« »Bitte?«, sagt er und lehnt sich vor.
    Â»War am Kanal Verkehr?«, hake ich nach. »Die machen da doch die Brücke neu, alles einspurig und so.«
    Â»Ich bin gut durchgekommen«, sagt er tonlos.
    Das glaub ich dir, du kleine Sau, denke ich.
    Â»Prima«, sage ich. »Ihr Lebenslauf ist ja ganz ordentlich. Aber diese Lücke hier, von Oktober bis Januar des Folgejahres, die macht mir Kummer. Was war denn da?«
    Â»Arbeitsunfall.«
    Â»In der Gladiatorenschule? Nackt und eingeölt ausgerutscht?«
    Â»Nein«, sagt er.
    Â»Auf Kreuzfahrt mit einem Mittvierziger gewesen? Bootsunfall in schlüpfrigen Stiefeln?«
    Er sieht mich nur an.
    Â»In einem abgedunkelten Raum gegen einen blankrasierten Soldaten geprallt? Sie müssen mir schon ein bisschen helfen, wenn Sie die Stelle wollen.«
    Er steht auf.
    Â»Müssen Sie sich die Beine vertreten? Blutstau?«
    Ich bin ja ein ironischer Typ, also zwinkere ich ihm spaßeshalber anzüglich zu.
    Â»Die Stelle hier ist nichts für mich«, sagt er und marschiert zur Tür.
    Ich lasse ihn ein paar Schritte gehen, dann zische ich: »Ich weiß Bescheid, junger Mann. Von mir erfährt keiner was. Ich kenne genügend Jungs, die wie du sind – hungrig, hitzig, immer auf der Suche.«
    Â»Ich brauche nur ’n Job«, sagt er.
    Ich nicke. So kann man’s auch nennen. Logo.
    Â»Wir sind eine erfolgreiche Spedition. Großer Kundenstamm, ja … ein praller, großer, pochender Kundenstamm. Genau Ihr … Ding.«
    Â»Sind Sie schwul oder was?«
    Â»Jetzt ist aber mal gut, Bürschchen«, sage ich kalt. »Ist das der Dank, dass ich Sie hierher eingeladen habe? Schwul? Ich? Wenn Sie auf Wikipedia gehen und Super-Hetero/NRW eingeben, wessen Bild kommt da wohl? Richtig. Ich bin ein Mann der Frauen! Ich liebe Frauen! Diana Ross! Céline Dion! Barbra Streisand! Was stimmt denn mit Ihnen nicht?«
    Er will etwas sagen, aber ich hebe die Hand.
    Â»Komm, ist gut. Nicht mit mir. Ich lasse mich hier nicht antucken, nur weil ich mal ein bisschen Verständnis aufbringe. Verschwinde.«
    Dreckstag.
    Am liebsten würde ich nach Hause und ins Bett. Ja. Es gibt nichts Schöneres, als zu schlafen und dann morgens in klebriger Bettwäsche zu erwachen, vor allem, wenn die Bettwäsche das Bild des Wrestlers Bret Hitman Hart zeigt.
    Wo habe ich die eigentlich her?
    Genau. LIDL. Auf dem Etikett stand: Biberbettwäsche, Motiv Carmen Electra.
    Zuhause war dann der Hitman drin.
    Trickdiebe.
    Ich bin nicht schwul.
    Ich wohne mit einer Frau zusammen.
    Fast, fällt mir ein, ich bin ja neulich ausgezogen.
    Wir hatten uns einfach auseinandergelebt, manchmal ist das so, und warum sollte ein Mann nicht auch mit Mitte vierzig einen neuen Weg gehen?
    Sie hat gesagt, sie wird es allein schaffen.
    Ich hoffe, du hast Recht, Mutti.
    Wenn nicht, sag Bescheid.
    Ist ja nur die Treppe hoch.
    Ich und schwul! Was für ein bizarrer Gedanke.
    Das ist so, als wäre Elton John schwul, oder Ricky Martin. Das sind Männer des Erfolges, wie ich. Absurd.
    Die würden einen verklagen, wenn man von ihnen behaupten würde, sie seien ho-mo-se-xu-ell! Soviel Geld habe ich natürlich nicht, um jeden Spinner, der mir sowas ankreidet, vor den Kadi zu zerren, da kann ich nur mit dem Kopf schütteln, und wenn ich das Geld hätte, würde ich es trotzdem für karitative Zwecke ausgeben. Mache ich ja jetzt schon. Ich unterstütze einen obdachlosen jungen Mann, der hinter dem Bahnhof steht. Dem kauf ich ab und zu Kleidung, weil der oftmals friert. Oder ich geb ihm Geld. Ist ja wieder Winter. Da braucht man gefütterte Hotpants. Ich kümmere mich.
    Zuviel Kaffee.
    Ich muss aufs Klo.
    Also erhebe ich mich und melde mich bei General Patton zum Pissen ab.
    Auf dem Gang ist niemand. Alle arbeiten. Brav.
    Ich betrete die Toilette, stell mich ans Becken, öffne den Reißverschluss.
    Ãœber mir prangt die Schrift an den Kacheln:
    SUCHE SEXY TAEKWONDO-KARATE-FUSSFICKBOY – TASCHENGELD MÖGLICH.
    Ich verdrehe die Augen. Fische nach meinem Edding. Ich glaub hier muss mal klar Schiff gemacht werden, so geht’s echt nicht weiter. Der Tag läuft sowas von unrund.
    Ich schreibe unter die Annonce: WIEVIEL MUSS MAN HIER EIGENTLICH NOCH ERTRAGEN? WEG MIT DER SCHMIEREREI! ABER
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