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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben
Autoren: Torsten Sträter
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Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Buch!
    M an kann so viel mit seiner Zeit anfangen.
Der Durchschnittsmensch sieht ja viel fern – oft im Jogginganzug mit KIK-T-Shirt drunter, auf dem Fantasieslogans stehen wie: SPECIAL NATURE FORCE BEST MAN CLEVER DICK MOISTURE SPORTY BOY HOLLA DI BOLLA, daneben aufgedruckte Sterne oder ein skelettierter Hund oder eine abgeworfene Munitionskiste, eben diese Shirt-Motive eines KIK-Designers, der einen Tacken zu lange neben einer Klebstofffabrik gelebt hat, was nicht das Problem ist, denn das Problem ist, dass dieser Satz grade arg unübersichtlich wird, und das ist für ein Buch keine gute Visitenkarte. Wo waren wir?
    Genau. Sie haben bestimmt ein tolles Fernsehgerät.
    Vielleicht einen SAMSUNG SD-JHG-42-9877653 P, bei dem es beim Anruf der kostenpflichtigen SAMSUNG-Hotline allein vier Euro kostet, die Typenbezeichnung durchzugeben – Ihr Fernseher hat FULL HD, skaliert alles Mögliche hoch, und für die Handhabung der Fernbedienung haben Sie sich einen Studenten der Technischen Universität Hannover ins Haus geholt, der schläft mit im Zimmer von Gandalf oder wie auch immer Ihr halbwüchsiger Sohn heißt.
    Sie nutzen diesen Fernseher ziemlich rege, genau wie unsereins, denn das Fernsehen ist verlockend. Ich persönlich sterbe ja für Serien wie RACH, DER RESTAURANTTESTER. Kennt man. Bemerkenswerter Mann. Was der alles hinkriegt.
    In Gelsenkirchen gibt’s eine Garage, in der ein Schreiner frittierte Toblerone verkauft, und irgendwie brummt der Laden nicht. Dann kommt Rach und hilft. Rach ist dufte.
    Jeder Zuschauer dieser Sendung denkt stets dasselbe wie ich, wenn wieder ein marodes Restaurant Hilfe von Rach anfordert: Was würdest du selbst tun? Wenn du Rach wärst? Antwort: Verwertbare Möbel auf die Straße, dann kontrolliert sprengen.
    Aber Rach hilft. Rach ist süß, sagt man ja. Das stimmt. Und ich bin Rachsüchtig.
    Oder nehmen wir DIE AUSWANDERER, wo ein tätowiertes Ehepaar aus Bottrop sich überlegt: Wir machen im Dezember auf Ibiza einen Laden für Einlegesohlen auf, und wenn’s rappelt, nehmen wir noch Wäscheklammern mit rein. Ohne Spanischkenntnisse, aber dafür mit 200 Euro Startkapital und drei Dänischen Doggen. Yippie. Fernsehen ist prima.
    Aber Sie halten gerade ein Buch in der Hand.
    Natürlich fragen Sie sich oft: Wie entsteht so ein Buch?
    Können wir gern drüber reden.
    Viele denken ja, am Anfang wäre da die Idee. Diese tritt dann eine Lawine des Schaffens los, eine Woge literarischen Gerölls. Das ist Unfug. Zuerst einmal benötigt man einen Verlag. Hüten Sie sich vor Verlagswohnhäusern, die gerne Geld dafür hätten, Ihr lange fertiges Werk zu verlegen. Machen Sie es andersrum: Sie benötigen einen Verlag, der Ihnen Schotter gibt, ohne dass Sie auch nur eine Silbe in den PC gehackt haben, und wenn Sie gefragt werden, wie weit Ihr Werk bereits gediehen ist – lügen Sie! Krücken Sie denen die Hucke voll, machen Sie den Herrschaften vom Verlag nicht nur ein X für ein U vor, sondern nur ein U. Aber das muss ein schönes U sein. Legen Sie ruhig eine »Treatment« genannte Grobvorschau des Buchinhaltes vor, aber bleiben Sie vage. Beispiel:
    Â»In der ersten Geschichte geht es irgendwie um Butter.«
    Schließen Sie Ihr Treatment mit einer Einschätzung des eigenen Werks:
    Â»Das Buch ballert krass, jede Wette« oder: »Dieser Roman wird ein Klumpen.«
    Und schon sind Sie im Geschäft.
    Ehrlich gesagt mache ich einen Sport daraus, derartigen Kokolores hier hinzuschreiben, ist vielleicht auch nur eine erbärmliche Form der Vergeltung, denn in Wirklichkeit läuft es anders. Man reicht eine Geschichte ein, die schillert wie Konfekt und auf unterhaltsame Weise soziale Missstände anprangert, aber ohne den mahnenden Zeigefinger, und alles, was dem Lektorat einfällt, sind Bemerkungen wie:
    Â»Anmerkung 1: Statt WASCHVOLLAUTOMAT bitte Waschmaschine.«
    Â»Anmerkung 2: Was sucht das Wort Waschmaschine in Text über Nostradamus?«
    Ein Buch zu machen ist schon Maloche. Und dann sollte so eine Geschichtensammlung auch noch einen Zusammenhang aufweisen. Da gehen E-Mails hin und her, das ist die wahre Pracht.
    Lektorat: »Wo ist roter Faden?«
    Sträter: »Tippe auf Winterpulli.«
    Lektorat: »Wir haben uns schon verstanden, nicht wahr?«
    Sträter: »Waschvollautomat.«
    Lektorat:
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