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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben
Autoren: Torsten Sträter
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»Nein.«
    Ich: »Gib mir deine Tinte.«
    Vertreter: »Was?«
    Ich: »Gib mir deine Tinte.«
    Aufgelegt.
    Um es mal vorauszuschicken: Ich bin nicht schwul. Ich mach nur gerne Witze mit Fremden.
    Homosexualität ist nix Schlimmes, Gott bewahre, im Gegenteil, klare Sache. WÄRE ich schwul, würde mich das null stören oder so. Dann würde ich hergehen und sagen: »Guten Tach, mein Name ist Sträter und ich bin schwul, und das ist nicht nur gut so, sondern der totale Burner.«
    Da pack ich mich nicht für. Nützt ja nix. Ich kann mich da zwar nicht reinversetzen, in diese Männer, die andere Männer … so, sagen wir mal, gut finden, aber das heißt ja nichts.
    Ich sag nur: Brokeback Mountain. Ganz ästhetischer Film. Viel Gegend. Pferde.
    Ich bin Chef einer großen Spedition, das ist schon was. Ich bin mehr so der erdige Typ Mann. Knorrig. Aufrecht. Hemdsärmelig. Ich bin das, was man gemeinhin einen »harten Knochen« nennt. Ich führe ein hartes Regiment, bei mir gibt’s kein Wischiwaschi, Leistung wird belohnt, und Laumalocher haben hier schon mal wochenlang Locher ausgeleert und die kleinen ausgestanzten Kreise abgeheftet. Wenn ich da was spitzkriege, dass sich da einer ’nen Lenz macht, lernt er mich kennen. Völlig egal, ob der jetzt schwul ist oder nicht. Auf dem Auge bin ich blind.
    Wir halten fest: Leistung. Hetero? Leistung. Homosexueller? Leistung. Aber Spaß muss sein.
    Und mal »schwul« tun ist schon ziemlich funky, finde ich.
    Wenn ich könnte, würde ich Akzente nachmachen, oder Paul Panzer, aber so am Telefon kann ich echt am besten solche Sachen wie das mit der Tinte. Ich mein’s ja nicht böse. Ich hab doch direkt gehört, dass der von der Druckertintenfirma vom anderen Ufer war. Das hört man so raus, klar, so ein bisschen das Feminine. Wie gesagt, nicht bös gemeint.
    Schwule sind sympathisch … wenn sie auch manchmal den Bogen überspannen.
    Ein Beispiel, das mich schon ein bisschen ärgert?
    Auf der Mitarbeitertoilette hat jemand auf die Kacheln geschrieben:
    SUCHE SEXY TAEKWONDO-KARATE-FUSSFICKBOY – TASCHENGELD MÖGLICH.
    HA-HA!
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand in der Firma Taekwondo betreibt, oder Karate, aber wenn doch, dass derjenige dann kein guter Ansprechpartner für einen Fußfick wäre, ho-ho, weil das ja wohl ähnlich gefährlich klingt wie SUCHE PITBULL FÜR BLOWJOB. Das läuft unter Special Interest, würde ich sagen. Oh ja. Wer soll das denn sein? SEXY TAEKWONDO-KARATE-FUSSFICKBOY? Chuck Norris?
    Hallo?
    Na ja, die Schwulen halt. Mag sie trotzdem, so menschlich gesehen.
    Ich meine, ich bin 45, ich kenne das Leben in all seinen Facetten – und mit Männern komme ich auch besser zurecht als mit Frauen.
    Themawechsel.
    Ich habe jetzt Vorstellungsgespräche.
    Mein erster Bewerber ist ein junger Mann. Ziemlich durchtrainiert.
    Â»Haben Sie den Führerschein?«, frage ich.
    Â»Ja«, sagt er. Er ist aufreizend lässig.
    Â»Verheiratet?«
    Â»Freundin«, meint er. »Wartet draußen.«
    Â»Aha«, sage ich. Da hat unser warmer Dude hier seine Alibifreundin draußen hocken. Kommt ja auch besser, wenn nicht sofort jemand denkt, er sei schwul. Schlau.
    Er betrachtet meine Sammlung. Über zwanzig Exponate. Ich habe sie aus aller Welt zusammengetragen. Hasen, genauer: Häschen.
    Natürlich bin ich einer, der an keinem Steven-Seagal-Film vorbeigehen kann, einer, der auf der Kirmes im Breakdancer hocken bleibt, wenn das ganze Jungvolk längst an diesem rotierenden Wahnsinn kaputtgegangen ist.
    Ich bin aber auch einer, der die Physiognomie von Häschen ansprechend findet. Dieses Verschmitzte, wenn sie so keck nach oben schauen, dieses großäugige »Hattu Möhrchen«-hafte, das bringt schon eine Saite in mir zum Klingen. Einundzwanzig Häschen, überwiegend aus Porzellan, manche aus Gips. Keine Schrottware.
    Ich drehe mich um und werfe ihnen einen Blick zu. Meine große Familie. Die Mümmels. Ich habe jedem Einzelnen einen maskulinen Namen gegeben: General Patton, Ator, Dr. Doom, Beastfucker, Opfa, Rico, the Rabbit formerly known as Deathmaster666, Hellraiser, Totmacher, Papa Fick, Die Faust, Godzilla, Schimmelreiter, Götz, Leichenschänder, Wämser, Belphegor, Kinski, Karl-Heinz, Mister Grunz und Chainsaw Dave.
    Der Bewerber starrt sie alle an. Ich werte sein Staunen als positiven
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