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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben
Autoren: Torsten Sträter
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Karohemden seine Brustwarzen zu reiben und »Uhhhh … sexy« zu stöhnen, stand auf einem anderen Blatt. Das war ein mittelschweres Problem, das man löste, indem man »Entschuldigt mich« murmelte und die andere Ecke des Gartens aufsuchte.
    Er soff zudem wie ein Loch, und dann wurde er schwierig in der Handhabung, weil er dann mitunter vor großen Gruppen unbedarfter Menschen die Superman-Pose einnahm und furzte. Er war der Herr der Winde, der jeden Raum in dreißig Sekunden evakuieren konnte.
    Ãœberhaupt war seine Affinität zum Stuhlgang auffällig, die sich darin äußerte, dass er den Gang zum Pott wie die Eröffnung der Documenta zelebrierte.
    Â»So, Burschen. Ich geh mal eine Wurst machen« war noch das Harmloseste, auch wenn die »Burschen« oft nicht nur Uwe und ich, sondern auch eine Gruppe alter Damen oder wahlweise sämtliche hochrangigen Angestellten der Firma seiner Eltern waren. Sievers’ Erzeuger besaßen eine Reihe von Sonnenstudios, und wer das Sprichwort »Man kackt nicht da, wo man isst« ersonnen hat, der irrt.
    Sievers arbeitete nicht. Sievers schwitzte. Sievers versuchte permanent, mich zum Biertrinken zu bewegen. Sievers kannte mehr Ausdrücke für »aufs Klo gehen« als der Große Brockhaus, und er achtete darauf, andere an seiner Eloquenz teilhaben zu lassen. Er kleidete sich in einem sonderbaren Western-Stil: knackenge Jeans, Cowboystiefel über der Hose und Hemden mit Fransen.
    Sievers hatte bereits mit 27 eine Halbglatze, benutzte aber trotzdem Unmengen von Haargel.
    Und Sievers kiffte. Er pfiff sich Haschisch rein, als wären es Kaugummizigaretten. Seine Eltern ahnten nichts, auch nicht, als sie diese Hydra von einer Wasserpfeife auf seinem Nachttisch entdeckten, die er direkt nach dem Erwachen gegen 16:00 Uhr in Betrieb zu nehmen pflegte. Sievers war der Gott in seinem eigenen kleinen Universum aus Breitsein, die Spülung betätigen und Jägermeister trinken.
    Wir waren nur kleine Fische darin, Guppys in der Welt des mächtigen Problembären.
    Â»Sicher finden seine Eltern das klasse. Vermutlich zahlt der Kanzler uns eine Prämie, wenn wir ihn außer Landes schaffen. Die machen ihm ein Lunchpaket am Grenzübergang und winken. Wir bekommen eine Bronzestatue in Bonn dafür, und vermutlich wird sie ›Die Tapferen Schwachmaten‹ heißen, Uwe. Da gibt’s nur ein Problem: Ich will nicht. Auf keinen Fall. Nur über meine Leiche.«
    Â»Warum?«, fragte Uwe. »Das kann doch lustig werden.«
    Â»Ja … so lustig wie mit dem Gesicht in eine Kreissäge zu laufen. Meinst du, wir können ein Wohnmobil mit Anhänger kriegen? Dann betäuben wir ihn mit Chloroform und deklarieren ihn an der Grenze als Hundefutter.«
    Â»Keine Ahnung, was du hast. Er ist doch eigentlich ganz nett.«
    Â»Ach ja. Stimmt. Hatte ich vergessen. Blödmann.«
    Uwe obsiegte; der Wunsch nach Sonne war zu mächtig, und er steckte mich irgendwann an mit seinen Phantasmagorien von Strand, Bamboleo und Frauen, die nur Augenklappen als Schlüpfer trugen. Trotzdem: Ich hatte ein ganz mieses Gefühl.
    Â»Klar!«, sagte Sievers durch das Blubbern der Wasserpfeife. »Bin dabei. Wohnmobil übernehme ich. Ihr müsst mir in Spanien nur was aufreißen.«
    Â»Was denn zum Beispiel?«, fragte ich.
    Uwe fuhr sich mit der Hand über die Kehle und blickte mich böse an. Sei nett.
    Â»Schön hast du es hier«, sagte ich. Der Teppich seiner kleinen Wohnung sah aus, als sei hier ein Mülllaster explodiert; in diesen Räumen würde ein Staubsaugervertreter, der sich anbot, eine Testreinigung zu Demozwecken durchzuführen, bei der Arbeit verhungern. Außer er ernährte sich von getragenen Tennissocken, aber an die musste man erstmal nah genug herankommen.
    Â»Ich weiß«, sagte Sievers. »Playboy-Style. Lässig verwohnt.«
    Ja exakt, dachte ich. Lässig verwohnt, so nach Art der Ardennenoffensive.
    Â»Also ihr reißt die Hasen auf, ich löhne.«
    Uwe nickte, schielte mich kurz mit seinem Darüber-verhandeln-wir-später-Blick an und sagte:
    Â»Du meinst, deine Eltern zahlen?«
    Â»Ich meine«, sagte Sievers weise, »meine Eltern zahlen.«
    Seine Eltern zahlten.
    Â»Für drei Wochen also. 2000 Kilometer inklusive, Endreinigung entweder durch Sie, dann kostenlos, oder durch uns, dann 300 Mark. Vollgetankt übernommen, voll zurück,
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