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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben
Autoren: Torsten Sträter
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»Bitte?«
    Sträter: »Kuckuck.«
    So gewinnt man immerhin etwas Zeit, bis es wirklich konkret wird.
    Lektorat: »Bitte Text über die Deutsche Bahn, aber ohne Klischees!«
    Sträter: »Puh. Darf ich bitte stattdessen einen Minnegesang in Sanskrit schreiben?«
    Zum Schluss dann: die Gliederung. Beim letzten Buch hab ich mich, und mit ich meine ich wir, entschlossen, als Gliederung DAMALS und JETZT zu nehmen, um die eher zusammenhanglosen Geschichten zu verbinden. Kracher. Damit bin ich diesmal nicht durchgekommen. Also habe ich verschiedene Vorschläge eingereicht:
    Â»Gliederung nach heimischen Vogelarten. Teil eins: DER BAUMPIEPER. Darunter dann eine Geschichte über meinen Bruder, der in Monaco einen Kugelschreiber kauft.«
    Wolltensenich.
    Eine andere Variante wäre gewesen, das Buch so zu gliedern, dass die Einteilungen völlig unverständlich sind:
    Â»1.  DER FÖTENSCHLUMPF FÄNGT AN!«
    Â»2.  DIE GÖTTLICHE KOMMODE.«
    Â»3.  Zicke-zacke-zicke-zacke-HEUHEUHEU!«
    Und so fort.
    War auch unerwünscht.
    Spielt jetzt aber auch keine Rolle.
    Buch ist fertig, und Sie gucken grade nicht etwa Fernsehen – Sie lesen. Das ist wunderbar. Sie halten sozusagen Teil zwei meiner Memoiren in der Hand, und nein: Ich war nicht auf dem Jakobsweg, konnte aufgrund meiner straff organisierten Jugend auch nicht als Wanderhure arbeiten und bin kein Lehrerkind. Als ich Kind war, fuhr meine Mutter einen Kleinbus.
    Ich kam immer pünktlich zur Schule, mehr ist da nicht rauszuholen.
    Entschuldigung.
    Natürlich musste auch ich im Sportunterricht so Kunstledertopflappen als Schuhe tragen, diese Dinger mit durchlaufendem Gummizug in iPod-Weiß, aber was soll’s? Vielleicht dachte meine Mutter, ich hätte Sport im Shaolin-Kloster. Ist jetzt egal. Hauptsache, Sie lesen. HARRY POTTER hat eine ganze Generation zum Buch gebracht, was leider den unangenehmen Nebeneffekt hatte, dass seit einiger Zeit viele Grundschullehrer nicht mehr zum Friseur gehen und sich auch sonst wie Professor Snape aufführen. Unterm Strich aber trotzdem toll. Hätte dieses Buch ein geheimes Motto, also den geforderten roten Faden, wäre dies ein altbekanntes:
    Lieber einen guten Freund verlieren als eine Pointe auslassen.
    Nochmal zum Thema TV: Das Fernsehen bietet so ziemlich alles, ich weiß, stellenweise gar in 3-D. Aber noch mehr 3-D als die Welt, die beim Lesen im Kopf entsteht, geht nicht. Wenn Sie das trotzdem denken sollten, also »Fernseher in 3-D, nice, muss ich haben!« – dann tasten Sie mal ganz langsam mit der Hand Ihr eigenes Gesicht ab.
    Sehen Sie?
    So toll ist es nun auch wieder nicht.

FUMP
    E s war Anfang der Siebziger. Ich war etwa sieben und wollte raus, um mit meinen Freunden zum ersten Mal Fußball zu spielen.
    Dementsprechend hatte meine Mutter mich angezogen: Draußen 18 Grad plus, also wurde ich eingepackt wie ein Astronaut der Apollo-Mission. Das lag bei uns in der Familie. Wegen meinem Opa und dem Krieg.
    Mein Großvater fiel in Stalingrad.
    Gut, er stand wieder auf, fuhr nach Hause und wurde später in Duisburg vom Bus überfahren, aber Kälte war trotzdem ein Reizthema.
    Bei uns zuhause war irgendwie immer Nachkriegszeit. Es gab nie Süßigkeiten. Niemals. Immer nur Jagdwurst und Leberwurst, grobe, richtig grobe – so überaus grobe, dass man stellenweise noch das entsetzte Gesicht des Schweins erkennen konnte. Wie beim Turiner Leichentuch Christi. Nur zum Essen.
    Ich trug DEN PARKA, ein 9 Kilo schweres Monster mit Deutschlandflagge auf dem Ärmel und seesackgroßer Kapuze. Diese Kapuze zurrte mir Mutti so fest um den Kopf, dass ihre Adern am Bizeps hervortraten. Ich sagte Tschüss, komplett in Rüstung bis auf das Rund meines käsigen Bubengesichts, öffnete die Wohnungstür, hörte ein leises FUMP!, und eine mit mindestens 200 km/h heranrasende Lederpocke traf mich genau in die Fresse. Ich kippte um. Der Täter flüchtete unerkannt. Ich habe seitdem etwas neben dem Mund, was Leute für ein Muttermal halten, so wie bei Robert De Niro. Aber das ist der Abdruck vom Ballventil. Jedenfalls: Danach war Fußball für mich gestorben.
    Jahre später hatte ich dann wieder Kontakt mit Sport – in Form von Minigolf. Mit Uwe. Wir spielten gerade an der Bahn, bei welcher man den Ball über eine steile Rutsche in einen weit entfernten Netzbeutel hauen musste. Ich
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