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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug
Autoren: Schlink
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Der Datenschutz war vergessen, die Akte wurde befragt, und schließlich bekam ich triumphierend mitgeteilt, daß Frau Salger schon seit Februar nicht mehr bei der Universität arbeite.
    »Wie denn das?«
    »Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.« Jetzt klang sie spitz. »Professor Leider hat keinen Antrag auf Verlängerung gestellt und im März die Stelle anders besetzt.«
    Ich setzte mich in meinen Kadett, fuhr über die Autobahn nach Heidelberg, fand in der Anlage einen Parkplatz und in der Plöck das Institut für Übersetzen und Dolmetschen und dort im ersten Stock das Vorzimmer von Professor Dr. K. Leider.
    »Wen darf ich melden?«
    »Selb vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Ich habe einen Termin mit Herrn Professor.«
    Die Sekretärin sah auf den Terminkalender, mich an und wieder auf den Terminkalender. »Einen Moment.« Sie verschwand im Nebenzimmer.
    »Herr Selb?« Auch die Professoren werden immer jünger. Dieser war eine elegante Erscheinung, trug einen Anzug aus dunkler Waschseide, ein helles Leinenhemd, und ein ironisches Lächeln im gebräunten Gesicht. Er bat mich ins Nebenzimmer zur Sitzgruppe. »Was führt Sie zu uns?«
    »Nach dem Erfolg von Jugend forscht und Jugend musiziert hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft vor einigen Jahren weitere Jugendprogramme initiiert und im letzten Jahr erstmals Jugend dolmetscht realisiert. Sie erinnern sich an unser letztjähriges Anschreiben?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Sehen Sie, Sie erinnern sich nicht mehr. Ich fürchte, Jugend dolmetscht hat im letzten Jahr nicht die nötige promotion bekommen, nicht in den Schulen und nicht an den Universitäten. Ab diesem Jahr zeichne ich für das Programm verantwortlich, und der Kontakt zu den Universitäten ist mir ein besonderes Anliegen. Einer Teilnehmerin des letzten Jahres verdanke ich den Hinweis auf Sie und auch auf eine Ihrer Mitarbeiterinnen, Frau Salger. Mir schwebt vor …«
    Das ironische Lächeln war nicht aus seinem Gesicht gewichen. »Jugend dolmetscht? Was soll denn das?«
    »Nun, es erschien zunächst einfach als natürliche Fortsetzung von Jugend forscht, Jugend musiziert, Jugend baut, Jugend heilt , um einige unserer Programme zu nennen. Inzwischen meine ich im Hinblick auf 1993, daß Jugend dolmetscht sogar eine besonders wichtige Rolle spielen wird. Bei Jugend betet arbeiten wir sehr segensreich mit den theologischen Fakultäten zusammen, bei Jugend richtet mit den juristischen. Mit Ihren Fakultäten bzw. Instituten wurde die Etablierung der erforderlichen Zusammenarbeit bisher leider versäumt. Ich denke an einen wissenschaftlichen Beirat, einige Professoren, den einen oder anderen Studenten, jemanden vom Sprachendienst der Europäischen Gemeinschaften. Ich denke an Sie, Herr Professor Leider, und ich denke an Ihre Mitarbeiterin Frau Salger.«
    »Wenn Sie wüßten … Aber Sie wissen nicht.« Er hielt mir einen kleinen Vortrag darüber, daß er Wissenschaftler sei, Linguist, und von der Dolmetscherei und Übersetzerei nichts halte. »Eines Tages werden wir wissen, wie Sprache funktioniert, und dann brauchen wir keine Übersetzer und Dolmetscher mehr. Als Wissenschaftler habe ich nicht die Aufgabe, mich darum zu kümmern, wie man sich bis zu diesem Tag schlecht und recht durchwurstelt. Ich habe dafür zu sorgen, daß das Durchwursteln ein Ende findet.«
    Dolmetschprofessor sein und ans Dolmetschen nicht glauben – war das die Ironie seines Lebens? Ich dankte für seine Offenheit, pries kritische, kreative Vielfalt und bat, wegen des Beirats in Kontakt bleiben zu dürfen. »Und was halten Sie davon, Frau Salger als Studentin in den Beirat zu berufen?«
    »Ich möchte vorausschicken, daß sie nicht mehr für mich arbeitet. Sie hat mich … hat mich gewissermaßen sitzengelassen. Nach den Weihnachtsferien ist sie nicht mehr gekommen, sie ist ohne Erklärung oder Entschuldigung weggeblieben. Natürlich habe ich mich bei den Kollegen und Lektoren umgehört. Frau Salger ist in keiner Lehrveranstaltung mehr aufgetaucht. Ich habe mir damals lange überlegt, ob ich die Polizei anrufen soll.« Er schaute besorgt, und erstmals war das ironische Lächeln verschwunden. Dann kehrte es zurück. »Vielleicht hatte sie einfach genug von Studium, Universität und Institut – ich würde das verstehen. Vielleicht war ich auch ein bißchen gekränkt.«
    »Wäre Frau Salger die Richtige für Jugend dolmetschte «
    »Obwohl meine Mitarbeiterin, ist sie von meines Gedankens Blässe nie
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