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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht
Autoren: Peter Schulz
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unterlegene Personen drangsalieren. Wie sich im Laufe meiner Dienstzeit zeigen sollte, lag ich mit dieser Einschätzung, anderen Menschen in Ausnahmesituationen beistehen zu können, nicht völlig falsch.
    Der finanzielle Aspekt indes stellte überhaupt keinen Grund dar, mich für eine solche Tätigkeit zu bewerben. Entgegen der landläufigen Vermutung ist die Zugehörigkeit zu einer Spezialeinheit finanziell alles andere als lohnend. Grundsätzlich steht einem SEK-Beamten neben seinem normalen Polizistengehalt eine finanzielle Aufwandsentschädigung von 150 € (nicht steuerfrei) im Monat zu. 1 Bedenkt man, dass die für eine finanzielle Absicherung bei einem (leider gar nicht so seltenen) Unfall oder gar im Todesfall notwendige Versicherung sehr teuer ist, so bleibt von dieser Aufwandsentschädigung nicht allzu viel übrig.
    Im Sommer 1988 schließlich kam der Zeitpunkt, eine Entscheidung zu treffen. Eigentlich wäre es für mich, der ich zu diesem Zeitpunkt immer noch dem BGS angehörte, folgerichtig gewesen, mich ausschließlich bei der GSG 9 zu bewerben. Aber ich hatte mich mittlerweile ein wenig mehr mit den Spezialeinheiten und deren Aufgaben befasst und wusste daher, dass die Einsatzzahlen der landespolizeilichen SEKs deutlich über denen der GSG 9 lagen. Deshalb bewarb ich mich sowohl bei der GSG 9 als auch bei einem Spezialeinsatzkommando der Polizei. Als ich deren Eignungs- und Auswahlverfahren bestand, zog ich daraufhin meine Bewerbung bei der GSG 9 zurück.
    Am 1. Oktober 1988 trat ich meinen Dienst beim SEK an, durchlief im Sommer 1989 die Einführungsfortbildung und wechselte schließlich im Mai 1993 zu der SEK-Einheit, bei der ich den Großteil meiner Dienstzeit verbringen sollte und die die Grundlage für die in diesem Buch geschilderten Ereignisse darstellt.

DAS ERSTE MAL …
»Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.«
Charles de Gaulle
                                                                       Das Piepen ist penetrant, und ich brauche einen Moment, um zu erfassen, was los ist. Mein Blick geht auf den Wecker neben meinem Bett, und der zeigt in roten Leuchtziffern 1:53 Uhr. Daneben liegt ein kleiner gelber Kasten, der die Quelle dieses piependen Geräuschs ist. Es ist ein sogenannter Eurosignalempfänger. Da es im Mai 1993 noch keine Handys bei der Polizei gibt, ist der Eurosignalempfänger meine permanente Verbindung zur Einsatzleitstelle der Polizei, welche bei Bedarf die Rufbereitschaftsgruppe des SEK alarmiert. Ich versehe Rufbereitschaft, das erste Mal bin ich als verantwortlicher Gruppenführer für eine solche Rufbereitschaftsgruppe des SEK eingeteilt. Meine Gruppe umfasst neben mir weitere sieben SEK-Beamte, die alle noch im Reich der Träume weilen, zumindest vermute ich das.
    Als Gruppenführer wird man im Falle einer Alarmierung als Erster angerufen, um zu entscheiden, ob der Einsatz tatsächlich ein SEK-Einsatz ist oder die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.
    Ich bin schlagartig wach, trotz der ungnädigen Uhrzeit, und tappe im Dunkeln zum Telefon im Wohnzimmer. Dort liegt bereits meine Einsatzmappe griffbereit drapiert. Ich wähle die Nummer des Dienstgruppenleiters der Einsatzleitstelle und melde mich zum allerersten Mal mit: »Schulz, SEK, ihr habt mich angepiepst?«
    Ich ahne zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie oft ich diese Prozedur in den kommenden 18 Jahren noch durchlaufen werde. Dies ist mein erstes Mal, und ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen …
    »Einsatzleitstelle, Wilhelm, entschuldige, wenn ich dich um diese Uhrzeit störe, aber ihr habt einen Einsatz.« Seine Stimme klingt tatsächlich ein wenig mitleidig, doch das dringt gar nicht zu mir durch.
    »Was haben wir denn?«, frage ich betont ruhig, und obwohl ich tatsächlich ein wenig aufgeregt bin, merkt man mir das nicht an. Eine meiner offenbar angeborenen Eigenschaften, die mir bei meiner Tätigkeit beim SEK häufig von Nutzen war, ist die, je chaotischer die Situation sich darstellte, umso ruhiger zu werden und vor allem nach außen auch zu wirken.
    »Die Leitstelle W. hat nach einem SEK verlangt, auf einem Campingplatz in der Nähe von S. hat sich angeblich eine Person nach einem Familienstreit in ihrem Wohnwagen verbarrikadiert und droht sich und den Wohnwagen mit einer Campinggasflasche in die Luft zu
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