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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel
Autoren: Leipert Sabine
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er wirklich, dass wir nur als Affäre miteinander funktionierten? Und war das dann nicht erst recht ein Grund, auf gar keinen Fall zu heiraten? Tim atmete einmal schwer ein und aus und sagte dann ruhiger: »Ich weiß, dass die Affäre keine tolle Idee war, aber wir haben uns zum ersten Mal wieder Zeit füreinander genommen. Es war gestohlene Zeit, das gebe ich zu, aber wenigsten hatten wir sie. Und zwar nur für uns beide. Wir hatten endlich wieder Spaß miteinander, ohne die Arbeit, dringende Termine oder irgendeinen wichtigen Anruf übers Handy. Wir haben miteinander geredet oder miteinander geschwiegen. Wir haben gekuschelt, gelacht, diskutiert. Alles, was wir davor irgendwie verlernt hatten.«
    Fassungslos sah ich ihn an. Wie konnte er es wagen, mir diese ganzen tollen Sachen an den Kopf zu werfen, hier und jetzt, vor dem Standesamt, während drinnen meine Trauung längst angefangen hatte?
    Er lächelte mich schwach an. »Du hattest recht, das mit uns geht nur ganz oder gar nicht. Also bitte heirate mich und nicht ihn.«
    Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, unendlich müde zu sein. Wieso war es so schwer, einen Schlussstrich unter uns zu ziehen? Wieso kam immer dann alles wieder hoch, wenn ich sicher war, alles hinter mir gelassen zu haben? Ich wollte das nicht mehr. Und ich konnte das auch nicht mehr. Erschöpft frage ich ihn: »Warum machst du es mir so schwer? Warum lässt du mich nicht einfach heiraten?«
    Tim sah mich lange an, bevor er darauf antwortete. »Weil ich Kai gestern, als er mich gefragt hat, warum ich Sarah mehr mag als dich, keine Antwort geben konnte.« Er schüttelte den Kopf und sah auf den Boden, während er schwerfällig nach den richtigen Worten suchte. »Es stimmt, es ist unkomplizierter mit Sarah, und ich hatte eine nette Zeit mit ihr. Aber es ist nicht das, was wir hatten. Ich habe keine Patentlösung für uns, Karina. Es wird immer schwierig sein. Aber unsere Affäre hat mir gezeigt, dass wir immer noch glücklich zusammen sein können, wenn wir wollen. Ich weiß jetzt, dass ich es kompliziert will. Ich will unsere Aufs und Abs. Ich will unsere Streitereien und Versöhnungen. Ich will dich.«
    Ich stand vor ihm, beide Arme in die Seiten gestemmt, und war von seinen Worten wie gelähmt. »Und hast du …«, begann ich heiser. »Hast du dabei vielleicht auch mal daran gedacht, was ich will?«
    Tim atmete tief durch und legte seine warmen Hände um meine nackten Schultern. Er zwang mich, ihn anzuschauen. Er bohrte seine Augen regelrecht in meine, als hätte er Angst, ich könnte ihn falsch verstehen. »Wenn du dir und mir gegenüber ehrlich sagen kannst, dass du Hannes und dich selbst nicht betrügst, wenn du ihn jetzt heiratest, dann mische ich mich nie wieder in dein Leben ein.«
    Sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen. Ich versuchte, die Tränen wegzublinzeln und schüttelte unablässig den Kopf, als müsste ich mich selbst davon überzeugen, dass Tim falsch lag. »Du bist so ein Arschloch«, zischte ich ihm leise zu und befreite mich aus seinem Griff. Ich hasste ihn für alles, was er gerade gesagt hatte. Für seine Liebeserklärung. Seine verfluchte Ehrlichkeit. Jetzt in diesem Moment hasste ich ihn zutiefst. Hätte ich doch bloß auf Tina gehört und ihn ausgeladen. Wie konnte er nur!
    »Es tut mir leid«, flüsterte Tim gequält. »Es ist nicht fair, ich weiß, aber ich kann nicht anders. Was willst du jetzt machen?«
    Ich unterdrückte ein hysterisches Kreischen. Was ich jetzt machen wollte? Nachdem er alles getan hatte, um mir diesen schönen Moment mit Hannes zu versauen, hatte er noch den Mut zu fragen, was ich jetzt machen wollte? Am liebsten hätte ich mich mit lautem Geschrei auf ihn gestürzt und ihn verprügelt, wenn er nicht der Stärkere von uns beiden gewesen wäre und drinnen nicht gerade dreißig Leute plus Tina auf uns warteten. Verdammt, was ich jetzt machen wollte? Heiraten, was sonst?

Alles noch möglich
    Er war spät dran. Vielleicht hatte ihn eine Konferenz aufgehalten. Oder ein anderer wichtiger Termin. Ich hatte Mühe, nicht die nächstbeste Zeitung in die Hand zu nehmen oder mein Handy hervorzuholen. Es war schwer, nichts zu tun. Das hatte ich offenbar verlernt in der Zeit, als der Tag nicht genug Stunden hatte, um alles darin unterzubringen. Als jede freie Minute ausgenutzt werden musste. Meinen Laptop, sonst ein treuer Begleiter, hatte ich bewusst zu Hause gelassen. Mein Handy auf lautlos gestellt. Nicht mal Stift und Zettel hatte ich dabei. Keine
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