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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel
Autoren: Leipert Sabine
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langsam auf den Heimweg und kam zweieinhalb Wochen nach meinem Hochzeitseklat wieder in Köln an.

    Endlich betrat er das Café. Er sah gut aus. Mein Bauch fing ohne Vorankündigung an zu kribbeln, als er zu mir herüberkam.
    »Hallo, ist hier noch frei?«
    »Ja, wenn du die Rechnung übernimmst.«
    »Tut mir leid, wartest du schon lange?«
    »Für zwei Latte macchiato hat es auf jeden Fall gereicht.«
    »Na gut, das kann ich mir gerade noch leisten.«
    Tim lächelte mich an, und ich lächelte unsicher zurück.
    Mein Blick fiel automatisch auf seine Nase. Er bemerkte es und befühlte sie mit einem leidenden Gesichtsausdruck. »Ist schon fast wieder in Ordnung. Deine Ohrfeige hat mehr weh getan.«
    »Das sollte sie auch«, sagte ich und meinte es ehrlich.
    Tim nickte zufrieden. Er wirkte richtig glücklich. Wir hingen beide unseren Gedanken nach, bis ich mich schließlich dazu durchrang, nach Sarah zu fragen, der vierten Leidtragenden in unserem Beziehungschaos. »Sie ist schon nach Dortmund gezogen. Hat vorgestern ihre Sachen abgeholt. Ich habe ihr meine andere Wange angeboten, aber sie wollte nicht.«
    Ich schüttelte den Kopf, konnte mir aber ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    »Warst du schon bei ihm?«, fragte Tim vorsichtig, und sofort spürte ich wieder das beklemmende Gefühl in der Brust. Genau wie vorgestern, als ich Hannes in seiner Wohnung aufgesucht hatte. Ich hatte mein Kommen angekündigt, per E-Mail. Ich wollte, dass er sich auf unser Zusammentreffen vorbereiten konnte. Ich hatte es auch versucht, aber auf solche Wiedersehen konnte man sich nicht vorbereiten. Als Hannes die Tür aufmachte, an der ich geklingelt hatte, obwohl ich immer noch die Schlüssel besaß, stiegen mir augenblicklich Tränen in die Augen. Hannes wirkte gefasster als ich. Er ließ mir Zeit, meine Tränen in den Griff zu bekommen, bot mir sogar ein Glas Wein an, das ich aber ablehnte. Ich konnte es mir nicht bei ihm gemütlich machen und ihm dann die knallharte Wahrheit über Tim und mich erzählen. Die ganze Wahrheit erzählte ich trotzdem nicht. Ich wollte es ihm nicht schwerer machen, als es war.
    »Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mit tut, Hannes. Ich hätte nie gedacht, dass ich dir mal so wehtun würde. Ich … ich habe es ernst gemeint … Ich hätte dich so gerne geheiratet, aber …« Ich konnte nicht mehr weiterreden. Hannes hatte eine Erklärung verdient, aber ich hatte keine parat. Er hatte sich mein Gestotter ruhig angehört und nickte dann etwas schwerfällig. »Komischerweise hatte ich es immer geahnt. Tim stand einfach im Weg. Egal wie oft ich versucht habe, an ihm vorbeizukommen.«
    »Ja, er hat sich ganz schön breit gemacht«, stimmte ich ihm zu und ergänzte innerlich: ›In meinem Leben.‹ Dann sagte ich leise: »Die Hochzeit wäre nicht richtig gewesen.«
    »Nein, vermutlich nicht«, sagte Hannes nachdenklich. Wir sahen uns danach lange an, ohne etwas zu sagen. Dann nahm er meine Hand und rang sich ein angedeutetes Lächeln ab. »Es war trotzdem eine schöne Zeit.«
    »Ja, das war es.«
    Wir konnten uns zum Abschied sogar wieder umarmen. »Was willst du jetzt machen?«, fragte Hannes, als ich schon fast zur Tür raus war.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, aber irgendetwas wird mir schon einfallen.«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    Einen Vorteil, wenn man den eigenen Chef vor dem Standesamt stehen ließ, hatte es wenigstens. Es war klar, wer von uns beiden die Redaktion verlassen musste. Und mir tat es nicht leid, die Zwölfstundentage für eine Weile gegen eine Auszeit einzutauschen. Es war schön, sich einfach mal wieder treiben zu lassen und den Tag wie heute im Café zu verbringen.
    Tim schlug die Karte auf und studierte sorgfältig das Angebot. Ich schüttelte den Kopf. »Warum liest du die Karte überhaupt, du bestellst doch sowieso ein Wasser ohne Kohlensäure?«
    Tim grinste mich frech an. »Ach ja? Das kannst du gar nicht wissen, schließlich ist das unser erstes Date.« Stimmt, so hatten wir es verabredet. Ein Neuanfang, ganz langsam, ohne etwas zu überstürzen. Mit mehr ehrlicher Zeit für uns. Keine gestohlene mehr. »Und wer weiß«, fuhr Tim fort, »vielleicht kann ich dich ja noch überraschen.«
    »Wenn ich ehrlich bin, habe ich von deinen Überraschungen erst mal genug.«
    Tim lachte und bestellte mutig eine Apfelschorle. Dann sah er mich verliebt an und ich hatte mit einem Mal ein Kribbeln im Bauch. Tim wirkte ebenfalls etwas nervös, als wir uns wie Teenager
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