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Himbeereis mit Aussicht

Himbeereis mit Aussicht

Titel: Himbeereis mit Aussicht
Autoren: Natascha Artmann
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    „Ich habe gehört, in Brunos Eiscafé wird eine Aushilfe gesucht!“, berichtete Rosa ihrer Freundin.
    „Bist du dir sicher?“, fragte Thea ganz aufgeregt nach.
    Rosa nickte während sie in ihr Pausenbrot biss. Dann erzählte sie kauend, was sie darüber gehört hatte.
    „Es hängt ein Zettelt an der Eingangstüre, hat mir meine Mutter jedenfalls erzählt. Aber ich soll nur nicht auf die Idee kommen und mich dort bewerben!“
    „Warum das denn nicht?“, wunderte sich Thea. Rosa suchte genauso dringend einen Aushilfsjob wie sie, um sich für den Führerschein genügend Geld zusammen sparen zu können.
    „Dafür gibt es mindestens dreißig bis vierzig Gründe“, erklärte die Freundin und begann damit einige davon aufzuzählen. „Erdbeereis, Schokoeis, Straciatellaeis, Bananasplit, Eiskaffee…“
    „Schon gut, ich hab es verstanden!“, stoppte Thea die Aufzählung und sah ihre Freundin von der Seite an.
    Rosa war klein, ein kleines bisschen pummelig und trug eine Brille, die man ohne weiteres als Brennglas hätte benutzen können. Süßigkeiten waren ihre größte Schwäche zusammen mit Fast-Food. Dass ihre Mutter sie nirgends arbeiten lassen wollte, wo es kalorienreiche Lebensmittel in Massen gab, leuchtete Thea daher ein.
    „Bewirb du dich doch bei Bruno!“, schlug Rosa deshalb vor. „Die Eisdiele liegt ganz in der Nähe eurer Wohnung und deine Mutter stellt sich wegen ein bisschen Eis auch nicht so an wie meine!“
    Das war wahr. Theas Mutter regte sich wirklich nicht über den Kaloriengehalt von Lebensmitteln auf oder darüber, was ihre Tochter sonst so aß. Sie hatte schlichtweg keine Zeit für so etwas, mit ihren drei schlecht bezahlten Jobs. Als alleinerziehende Mutter ohne Ausbildung musste sie zusehen, wie sie sich und ihre Tochter über die Runden brachte. Darum war es für Thea auch so wichtig einen Job neben der Schule zu bekommen. Sie wollte selbst genügend verdienen, um sich den Führerschein leisten zu können. Denn sobald sie ihr Abitur in der Tasche hatte und einen Ausbildungsplatz suchen musste, würde sie sowohl den Führerschein, als auch ein Auto brauchen.
    Mit dem Läuten der Pausenglocke mussten sich die Freundinnen trennen, da sie nicht die gleiche Klasse besuchten. Aber bevor sie auseinander gingen, redete Rosa Thea noch einmal ins Gewissen.
    „Bewirb dich in der Eisdiele, Thea! Am besten heute noch, gleich nach der Schule und ruf mich an, wie es gelaufen ist! Ich bin ab halb fünf zu Hause.“
    So wie es aussah, musste Thea diesem Rat ihrer Freundin wohl folgen. Sonst würde Rosa ihr die Hölle heiß machen, sollte sie sich drücken. Aber sie war einfach ein wenig schüchtern und konnte sich nur schwer ohne Rückendeckung in eine neue Aufgabe stürzen. Sie brauchte das Gefühl, dass jemand hinter ihr stand und sie unterstützte. Sonst zog sie sich lieber zurück, blieb unsichtbar, irgendwo am Rande des Geschehens, wo sie keiner beachtete.
    Das war auch der Grund, warum sie in der Klasse direkt vor dem Lehrerpult saß. Der absolut beste Platz, um nicht aufzufallen und übersehen zu werden. Denn die Lehrer hatten vor allem die hinteren Bänke im Visier, wo sich die Unruhestifter in Sicherheit wähnten.
    Das hieß aber nicht, dass Thea dumm gewesen wäre, oder nicht aufgepasst hätte. Ganz im Gegenteil, sie war klug, aufmerksam, erledigte ihre Aufgaben ordentlich und lieferte immer schnell und sauber ihre Arbeiten ab.
    Wenn man von den Lehrern nicht großartig beachtet wurde, hatte das den Vorteil, dass auch die Mitschüler nicht auf einen aufmerksam wurden. Was enorm dabei half, deren Sticheleien zu entgehen, was aber leider nicht immer klappte.
    „Na, hast du deine Pause wieder mit diesem kurzsichtigen Marshmallow von einem Mädchen verbracht?“, spottete das hübscheste, aber gemeinste Mädchen aus Theas Klasse.
    Thea tat so, als ob sie nichts gehört hätte. Wenn sie reagierte, wurden die Bemerkungen nur noch verletzender.
    „Ihr seid ein wirklich auffallendes Gespann“, stichelte die hübsche Paula weiter, während ihre Anhänger schon damit begannen, ihre Worte mit höhnischem Lachen zu untermalen.
    „Ein halbblinder übergewichtiger Maulwurf und eine Bohnenstange mit den Kurven eines Holzbrettes!“
    Selbst wenn sie gewollt hätte, gegen solch gemeine Worte konnte sich Thea nicht wehren. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie war nun einmal größer als andere Mädchen und die wenigen Kurven, die ihr Körper aufwies, fielen darum nicht so deutlich ins Auge.
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