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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht
Autoren: Brigitte Aubert
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eine Zigarette für mich?«
    Er kramt in seiner Tasche, zieht die Schachtel heraus, bietet mir eine an und beugt sich vor, um mir Feuer zu geben. Seine Augen sind jetzt ganz nah und wirken wegen der Brille fast transparent, lange seidige Wimpern, er riecht nach Pfefferminzpastillen. Ich nehme einen tiefen Zug.
    »Sie waren Maevas Geliebter.«
    Seine Augenlider flattern hektisch. Ja, die sind schwer unter Kontrolle zu halten.
    »Und dann sind Sie ihr Zuhälter geworden. Sie verlangten von ihr einen Anteil, und mit der Zeit wurden Sie immer anspruchsvoller. Sie wollte nicht mehr zahlen. Schließlich hat sie Ihnen gedroht, Sie bei Ihren Vorgesetzten anzuschwärzen. So war es doch, oder?«
    Er lächelt mich an, es ist ein mechanisches Lächeln. Er lehnt sich gegen die Wand und nimmt seine Kappe ab, unter der dichtes, weißes Haar zum Vorschein kommt. Er setzt die Brille ab, wischt mit dem Arm über die Gläser, setzt sie wieder auf und seufzt.
    »Maeva fing an, mir auf die Nerven zu gehen. Sie wollte auspacken. Ich wusste, dass sie hier eine hübsche Stange Geld versteckt hatte, und ich brauchte Bargeld, sehr viel Bargeld.«
    Ich hänge an seinen schmalen Lippen.
    »Wofür? Für den Schwarzhandel mit Methadon? Oder für eine Haarimplantation?«
    »Nein, ein ganz klassisches Motiv: Glücksspiel. Ich fuhr nach San Remo, um hier nicht aufzufallen. Ich spielte in immer größerem Stil und habe alles verloren. Ein paar Typen haben mir Geld geliehen. Die Art von Typen, mit denen man sich besser nicht einlassen sollte, auch ich als Polizist nicht. Und sie wollte mir den Geldhahn zudrehen. Sie sagte, ich würde sie nicht respektieren und dass ich es nur auf ihr Geld abgesehen hätte. Und, verdammt, sie hatte Recht!«
    »Also haben Sie sie angerufen .«
    »Ich rief sie an, ich brauchte Geld. Wir schrien uns am Telefon an. Sie hat mir erneut gedroht, Mossa und Derek alles zu sagen. Die blöde alte Ziege hätte es fertig gebracht, mir die Beförderung zu versauen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, doch wie die Verdächtigen beim Verhör immer sagen: Ich sah rot und beschloss, sie umzubringen und mir das Geld zu holen.«
    »Sie sahen rot, und zufällig hatten Sie auch gerade ein Messer zur Hand?«
    »Ich habe immer mein Springmesser dabei. In dieser Stadt treibt sich so viel Gesindel herum .«
    Ich sah ihn belustigt an. War er wirklich dazu im Stande, jemanden mit dem Messer zu töten, mit dem er geschlafen, gelacht und gegessen hatte? Er erzählt weiter, ist nicht mehr zu bremsen.
    »Ich habe geläutet, sie hat die Tür aufgemacht, und ich habe ihr die Kehle durchgeschnitten, mit einer einzigen Handbewegung, wie bei einem Kommandounternehmen. Ich war schon immer ein guter Schüler. Ich wollte ihr nicht wehtun, doch sie hörte nicht auf, sich zu bewegen, schlug um sich, lebte noch immer, versuchte, etwas an die Wand zu schreiben! Da habe ich so lange zugeschlagen .«
    Er schweigt und fährt sich mit einer Hand über das Gesicht. Er schwitzt. Schweißperlen sammeln sich auf seiner Oberlippe.
    »Wenn du wüsstest, wie seltsam das ist, es einmal von der anderen Seite zu erleben. Wenn ich an die unzähligen Male denke, bei denen ich eine ähnliche Schilderung zu hören bekam und dachte: >Red du nur, mein Guter.c«
    In dem Gefühl, die Rollen getauscht zu haben, unterbreche ich ihn: »Und dann, nachdem sie schließlich tot war?«
    Er schließt für einen Moment die Augen und macht sie dann wieder auf.
    »Ich war ganz ruhig . als wenn ich mit einem Schlag nüchtern geworden wäre. Kalte Dusche. Adrenalin. Die Buchstaben an der Wand. No problem. Ich habe sofort an dich gedacht, sie hatte mir dermaßen oft von ihrer Freundin Bo die Ohren vollgequatscht! Ich habe das P in ein B geändert, dann habe ich mir gesagt, mit ein bisschen Glück könnte ich vielleicht dem Hurenmörder dieses Verbrechen unterschieben.«
    Erneutes Schweigen. Er schluckt.
    »Und dann?«
    »Nun, ich hatte zwar nicht dieselbe Waffe benutzt, aber ich wusste ja, dass er sie verstümmelt hatte, ihnen die .«
    Die Worte wollen ihm nicht über die Lippen. Ich sehe ihn an.
    »Ihnen die . Zunge . herausgerissen hatte«, stößt er hervor.
    »Und, haben Sie es getan?«
    »Ja, ja. Ja, ich habe es getan.«
    Zum ersten Mal wird seine Stimme lauter, und mit einem Schlag ist es mir klar - mit dem Gefühl, den Geschmack förmlich in meinem Mund zu spüren, murmele ich:
    »Das Tatar .«
    Er schließt für einen kurzen Moment die Augen.
    »Ja, das Tatar. Das Ding brannte mir in
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