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Seifenblasen kuesst man nicht

Seifenblasen kuesst man nicht

Titel: Seifenblasen kuesst man nicht
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Mädchen, die sich neben den Stufen zum Eingang zusammengefunden hatten und jeden Neuankömmling in ihrer Mitte herzten, küssten und umarmten. »Ihr Vater stiftet mal wieder Freikarten für die ganze Klasse.«
    Die »Sonne« war Marie. Marie strahlte ununterbrochen, selbst wenn ihr der Lehrer die nächste versemmelte Klassenarbeit übergab. Sie war groß, dünn und blond. Ihrem Vater gehörten eine Reihe Muliplex-Kinos, weshalb sie sich um Fragen wie Beliebtheit oder Verabredungen nie den Kopf zerbrechen musste. Auch jetzt war sie wieder umringt von einer Schar ihrer Fans. Durch das Kichern und Gackern hörte Coralie Maries hohes, aufgeregtes Zwitschern.
    Â»Natürlich kommt Casper auch. Er spielt schließlich die Hauptrolle. Es ist so – uuuuh!« Die anderen Mädchen fielen ein. Uuuuh , so hoch wie möglich herausgequiekt, war das neue »cool«.
    Â»Wir dürfen an den roten Teppich, hat mein Vater gesagt. Nicht alle, leider.« Maries Blick bekam etwas Mitleidiges, als er auf Laura und Coralie fiel, die gezwungenermaßen direkt hinter der Clique die Treppen zur Schule hochstiegen. »Steht ihr auf Casper Kendall?«
    Â»Meinst du mich?«, fragte Laura und sah irritiert zu Boden. »Hier liegt keiner.«
    Marie verdrehte die Augen.
    Coralie prustete los. Casper Kendall war im letzten Jahr bis ins Finale der X-Factor-Show gekommen und hatte danach in zwei Filmen mitgespielt, die »High School Flirt Desaster« oder so ähnlich hießen und bei allen über achtzehn ratloses Kopfschütteln auslösten. Damit – mit den Filmen, nicht dem Kopfschütteln – hatte er im Sturm nicht nur Maries Olymp bestiegen. Casper Kendall grinste von Zeitschriftentiteln, T-Shirts, Frozen-Yoghurt-Bechern und Schulmäppchen. Er war allgegenwärtig. Im Teenager-Universum nahm er die Rolle des Sonnengottes ein, neben dem es bekanntlich keine weiteren Götter geben durfte.
    Weder Coralie noch Laura waren Teil dieses Universums. Sie hörten Seeed und Die Toten Hosen, und wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, auch die zahllosen Boygroups auf angesagten Radiostationen. Der Hype um Casper Kendall aber lief ohne sie ab.
    Â»Schon gut. Vergiss es einfach.« Maries Stimme bekam immer einen leicht schrillen Ton, wenn andere nicht begriffen, wie ihr Planetensystem aufgebaut war.
    Laura zog Coralie am Arm in die Klasse. Sie waren spät dran. In letzter Sekunde erreichten sie ihre Plätze.
    Â»Weck mich, wenn es vorüber ist«, sagte Coralie zu ihrer Freundin.

3.
    Verfluchte Drei. Höllen-Drei. Lass-mich-doch-in-Ruhe-Drei.
    Coralie drehte sich um und war Sekunden später wieder eingeschlafen. Der nächste Wecker war ihr Radio. Um es auszuschalten, musste sie aufstehen und zum Fenster gehen. Schlaftrunken warf sie die Decke zur Seite und tastete sich quer durchs Zimmer.
    Noch war es dunkel. Die Straßenlaternen schienen bis in den Hof. Doch schon auf dem Weg zur S-Bahn würde im Osten die Sonne aufgehen. Eigentlich mochte Coralie diese Stunden. Irgendwo zwischen Traum und Tag. Die Menschen, denen man auf der Straße begegnete, waren freundlicher um diese Uhrzeit. Manche grüßten sogar – als ob man sich in einer Parallelwelt begegnen würde. Wir sind das unsichtbare Volk. Die Frühaufsteher. Wir sind die Ersten. Mag der Tag auch noch so laut und hektisch werden, mögen Millionen Menschen hier leben und grußlos aneinander vorüberlaufen, zu dieser Zeit sind wir eine kleine, verschworene Gemeinschaft. Die Vorhut des Tags. Die Busfahrer. Die Bäcker. Die Zeitungsausträger.
    Irgendwie gelang es ihr, in ihre Klamotten zu kommen und die nächste Bahn zum Grunewald zu erwischen. Oswald, der Kolonnenführer, hatte die Pakete schon abgeladen. Jeder Zusteller griff sich seinen Teil und verlud ihn entweder in große Satteltaschen oder auf den Anhänger. Coralie hatte ihr Ungetüm von Anhänger von ihrer Vor gängerin geliehen bekommen. Jeden Morgen holte sie es au s einem der S-Bahn-Bögen, zu dem sie einen Schlüssel hatte. So auch heute. Wenig später radelte sie die Hagens traße entlang. Mehrfamilienhaus. Chrombriefkasten. Zw eiter von oben. Klack. Gründerzeitvilla, unten Büro, oben Wohnungen. Zwei fürs Büro. Klack. Nächste Straße, Tannenweg. Rumer. Sie beäugte misstrauisch das große Rolltor, aber es blieb geschlossen. Klack. Weiter zum Hexenhaus.
    Â»Guten Morgen!«
    Asta
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