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Seifenblasen kuesst man nicht

Seifenblasen kuesst man nicht

Titel: Seifenblasen kuesst man nicht
Autoren: Elisabeth Herrmann
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gesund, wollte Coralie sagen, ließ es aber bleiben.
    Â»Und das Lomossonow. Das nehme ich nur für Besuch.«
    Stolz deutete Asta auf die Tassen. Sie waren kobaltblau und goldfarben und so dünn, dass man durch sie eine Zeitung hätte lesen können. Das erinnerte Coralie daran, warum sie eigentlich um – ihr Blick fiel auf eine Sechzigerjahre-Wanduhr über der Spüle, sie zeigte auf zehn vor zwölf – um schätzungsweise halb sechs Uhr morgens, also zu nachtschlafender Zeit, mit ihrem Anhänger unterwegs war.
    Â»Im Stehen, Frau Sander. Okay? Ich hab doch noch zu tun. All die Leute, die jetzt schon auf ihre Zeitung warten …«
    Asta hob die Kanne und goss ein. In der Küche verbreitete sich ein Duft, den Coralie vielleicht als Mischung aus Krankenhaus und Hustenbonbonmanufaktur beschreiben würde.
    Â»Nun gut. Dann im Stehen. Obwohl das gar nicht gesund ist. Und einen Keks dazu. Die backe ich selbst. Bitte sehr. Bitte!«
    Coralie nahm ein Plätzchen und biss hinein. Es schmeckte so, wie sie sich Hundekekse vorstellte. Schnell nahm sie die angebotene Tasse und spülte den Bissen mit der Kräutermischung hinunter, was das Geschmackserlebnis auch nicht besser machte.
    Â»Lecker«, nuschelte sie. Aber ihr Gesichtsausdruck musste sie verraten haben.
    Asta setzte sich vorsichtig auf einen Stuhl. »Der Bäcker ist so weit weg«, sagte sie. »Früher … Früher habe ich so gerne im Bett gefrühstückt. Champagner, Kaffee und Croissants. Kennen Sie die?«
    Coralie, noch immer im Kampf mit Keks und Hustentee, nickte.
    Â»Als ich jung war, nach dem Krieg, lebte ich zwei Jahre in Paris. Da habe ich mir diese französische Art zu frühstücken angewöhnt. Und danach … eine Zigarette. Gauloises ohne Filter. – Rauchen Sie?«
    Â»Nein.«
    Â»Ab und zu, wenn es abends so still wird, setze ich mich mit einem Glas Rotwein ins Kaminzimmer und rauche eine Gauloise. Nicht richtig. Eigentlich paffe ich nur. Aber hinterher riecht das Zimmer, als wäre er gerade dort gewesen …«
    Wer?, wollte Coralie sagen, schluckte die Frage dann aber herunter. Zum einen, weil sie nicht noch eine Geschichte anhören konnte, zum anderen, weil Asta auf einmal einen merkwürdigen Ausdruck in ihrem Gesicht hatte. So, wie man schaut, wenn man sich an etwas Verlorenes erinnert, das einmal sehr wichtig gewesen war. Asta sah auf den Tisch und strich den Läufer glatt. »So ist das, wenn man alt wird. Man wird ein wenig sonderbar.«
    Coralie stellte die Tasse ab. »Vielen Dank, Frau Sander.«
    Â»Asta.« Die alte Dame sah hoch. »Sagen Sie doch Asta zu mir. Ich bringe Sie noch hinaus.«
    Â»Nein, danke.« Coralie war schon an der Tür. »Ich finde den Weg. Dann bis morgen!«
    Ãœber Astas Gesicht huschte ein Lächeln. »Bis morgen.«

4.
    Den ganzen Rest ihrer Tour lang hatte Coralie ein schlechtes Gewissen. Es kam ihr nicht richtig vor, die alte Dame so abgewürgt zu haben. Andererseits – hatte sie keine Verwandten mehr? Niemand, der sie besuchte? Sie waren sich zweimal am Gartenzaun begegnet, und schon öffnete Asta ihr, einer völlig Unbekannten, die Tür. Das war schon spooky .
    Während ihr Zeitungsstapel schmolz und sie sich langsam zurück Richtung S-Bahn arbeitete, ahnte sie es schon. Und schließlich lag eine einzige, übrig gebliebene Zeitung im Anhänger. Und noch während Coralie auf ihre Arm banduhr sah und daran dachte, dass sie die nächste S-Bahn verpassen würde, wusste sie, wem sie gehörte. Es war Astas Zeitung. Die Kekse, das Haus, der Tee und die Einsamkeit … Sie hatte vergessen, ihr das Blatt dazulassen. Was tun?
    Am Bahnhof koppelte sie in Windeseile den Anhänger ab, klemmte das letzte Exemplar auf den Gepäckhalter ihres Fahrrads und radelte noch einmal, wie von Furien gehetzt, zurück. Gerade als sie Astas Straße erreichte, passierte es: Vom anderen Ende her heulte ein Motor auf und der flache Sportwagen brauste um die Ecke. Er preschte das Pflaster hinunter, legte vor der Garageneinfahrt der Rumers eine Vollbremsung hin, bog ab und gab noch mal Gas. Coralie konnte ihr Rad gerade noch zur Seite reißen – in letzter Sekunde. Seinen Kotflügel und ihr Vorderrad trennte vielleicht noch ein Millimeter.
    Â»Ich fass es nicht!«, schrie sie. »Sind Sie blind?«
    Die Fahrertür öffnete sich. Jemand stieg aus. Dieser Jemand war ein
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