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Seifenblasen kuesst man nicht

Seifenblasen kuesst man nicht

Titel: Seifenblasen kuesst man nicht
Autoren: Elisabeth Herrmann
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war. Sie warf zwei Exemplare in den Schlitz und schob ihr Fahrrad weiter, bis das Ende der Waschbetonmauer erreicht war. Dahinter kam ein Jugendstilzaun aus Schmiedeeisen. Ein bisschen verrostet, windschief und angenagt vom Zahn der Zeit. Genau wie das Haus, das er beschützte. Gewaltige Rosenbüsche wucherten hier und warfen ihre Ranken bis über die Zaunspitzen. Es duftete süß und schwer. Coralie blieb stehen und zog eine der schweren tiefroten Blüten zu sich heran.
    Â»Guten Morgen!«
    Erschrocken ließ Coralie los. So früh war sonst außer ihr niemand auf den Beinen. Hinter dem Gartenzaun bewegten sich die verwilderten Triebe, und dann tauchte das Gesicht einer älteren Dame auf. Ihr Lächeln war so herzlich und vertrauenerweckend, als würde sie Reklame für Backpulver oder Schokopudding machen. Das Einzige, was das Bild störte, war ihr giftgrüner Turban. Coralie hatte nicht gewusst, dass so etwas überhaupt noch von lebenden Personen getragen wurde.
    Â»Bitte nicht in den Briefkasten, sondern dort hinein«, sagte die ältere Dame und deutete auf eine kleine Röhre im Dickicht, die kein Mensch entdecken würde, wenn man ihn nicht mit der Nase darauf stieß. Ihre Stimme war fröhlich und zwitscherte wie ein satter Spatz. »Ich bekomme so wenig Post, deshalb habe ich meistens den Schlüssel nicht dabei, wenn ich das Haus verlasse. Sie sind neu? Ich habe Sie noch nie hier gesehen.«
    Â»Ich bin die Urlaubsvertretung.« Coralie griff nach einer Zeitung, rollte sie zusammen und reichte sie der Dame über den Zaun. »In vier Wochen ist wieder alles beim Alten.«
    Und ich habe die Fahrkarte hinein in meine Träume. Und werde nie, nie wieder meinen Wecker auf die Ziffer Drei stellen … Höllendrei. Weiterschlaf-Drei. Aufsteh-Folter-Drei. Never ever .
    Â»Hoffentlich nicht!« Die Dame schmunzelte. »Es gibt so wenig junge Leute hier in der Gegend. Ich bin übrigens Asta. Asta Sander.« Die Frau schob die Rosenzweige etwas zur Seite und reichte eine schmale Hand durch den Zaun. Sie trug einen Morgenmantel, der aussah wie ein japanischer Kimono.
    Verblüfft erwiderte Coralie die Geste. »Coralie Mansur. Ich glaube, ich muss jetzt weiter.«
    Â»Aber natürlich. Ich will Sie nicht aufhalten. War das David, der gerade die ganze Nachbarschaft geweckt hat?«
    Â»David?«
    Asta beugte sich vor. Sie sah aus wie eine in die Jahre gekommene Blumenfee. »Der Sohn von Tom. Thomas Rumer.« Sie erwartete offensichtlich, dass Coralie die Vor- und Zunamen, nahen und entfernten Verwandtschaftsverhältnisse und wahrscheinlich auch noch besonderen Vorlieben aller Bewohner des Villenviertels kannte.
    Â»Der Mann im Rollstuhl?«, fragte sie. Die Leute hier interessierten sie nicht besonders. Sie wohnte in einem Neuköllner Hinterhof. Da hatte man es nicht so mit Rosenranken und Messingschildern. Trotzdem berührte sie das Schicksal des unbekannten Mannes. Thomas Rumer. Irgendwo hatte sie den Namen schon einmal gehört.
    Asta nickte. »Ja. Eine schlimme Sache war das, aber lange vor Ihrer Zeit.«
    Â»Bestimmt.« Coralie hatte das Gefühl, dass die alte Dame wohl nichts dagegen hätte, die zufällige Begegnung noch etwas auszudehnen. Wenn sie an jedem Haus so trödeln würde, bekämen die Letzten ihre Zeitung am Abend. Sie deutete auf den Anhänger, der noch nicht einmal zur Hälfte geleert war. »Ich muss weiter.«
    Asta Sander nickte. »Morgen bringe ich Ihnen einen Kaffee hinaus. Sie sehen aus, als könnten Sie ihn vertragen!«
    Â»Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich habe leider keine Zeit.« Coralie schwang sich auf den Sattel. Das nächste Haus lag ein ganzes Stück die Straße hinunter. Sie musste sich beeilen, wenn sie ihre Tour vor sechs zu Ende bringen wollte. Dann ab in die S-Bahn, zurück nach Neukölln, ein kurzes Frühstück und schnell in die Schule, wo sie hoffentlich nicht wieder einschlafen würde.
    Â»Dann bis morgen«, flötete Asta, nahm die Zeitung und verschwand hinter den Rosenhecken.
    Coralie lugte ihr hinterher. Ein schmaler Weg aus Felssteinen führte zu dem kleinen Haus, das über und über mit Efeu berankt war. Es passte nicht in diese Gegend. Asta auch nicht. Noch nie hatte Coralie jemand auch nur gegrüßt, wenn sie hier wider Erwarten doch einem Frühaufsteher begegnet war.
    Sie trat in die Pedale. »Bis morgen!«, rief
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