Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du Mich Auch

Du Mich Auch

Titel: Du Mich Auch
Autoren: Ellen Berg
Vom Netzwerk:
Kapitel 1
     
    »Unverschämtheit«, murmelte die Frau mittleren Alters und holte einen kleinen Computer aus der Tasche. Ihre dunkelblaue Uniform spannte um die Hüften. Ihr Gesicht hätten selbst freundlichere Zeitgenossen einen schlechten Scherz der Natur genannt. Missmutig tippte sie die Nummer eines nussbraun lackierten Geländewagens ein, der direkt neben einem Halteverbotsschild parkte. Sie wartete ein paar Sekunden. Dann zog sie den frisch gedruckten Zettel aus ihrem Gerät und klemmte ihn hinter den Scheibenwischer.
    Beatrice sah die Politesse schon von weitem. Sie beschleunigte ihren Schritt. Ihre Pumps klackerten auf dem Asphalt wie Kastagnetten, ein grünseidener Mantel umwehte sie. Sie war spät dran. Eigentlich war sie immer spät dran. Ein Passant drehte sich nach ihr um. Selbst hier, auf dem elegantesten Boulevard der Hauptstadt, war sie eine aufsehenerregende Erscheinung. So blond, so schlank, so perfekt gestylt, als käme sie von einem Covershooting für die
Vogue
. Mindestens.
    Okay, okay, ein Ticket mehr, dachte Beatrice. Geschenkt. Sie stieg ins Auto und ließ den Motor an, ohne die uniformierte Frau eines Blicks zu würdigen. Doch sie hatte nicht mit deren Hartnäckigkeit gerechnet. In bemerkenswertem Tempo umrundete die Politesse den Wagen und klopfte an die Seitenscheibe. Beatrice ließ die Scheibe herunter.
    »Und?«, fragte sie gelangweilt.
    Es war purer Hass, der ihr entgegenschlug. Der Hass auf eine Frau, die einen teuren Wagen besaß, beneidenswerteModelmaße und ein Kleiderbudget, das die Monatsmiete normaler Leute vermutlich um ein Vielfaches überstieg. Und die einfach neben einem Halteverbotsschild parkte. Aber sie war erwischt worden, wenigstens das.
    Die Politesse grinste höhnisch. »Pech gehabt!«
    Beatrice setzte ihr reizendstes Lächeln auf. »Sehen Sie mal in den Spiegel. Dann wissen Sie, wer von uns beiden Pech gehabt hat.«
    Sie ließ die Scheibe wieder hochgleiten und raste davon. Beatrice hatte einen wichtigen Termin. Eigentlich hatte sie immer wichtige Termine. Heute Abend war es allerdings ein ganz besonderer. Sie fuhr bei Rot über die Ampel, eine Farbe, die sie »Dunkelgelb« nannte. Hupend überholte sie eine schwere, schwarze Limousine mit abgedunkelten Scheiben.
    »Dicke Karre, aber Slow Motion«, schimpfte sie, während sie die Adresse ins Navi eingab. Seestraße, Kahndorf in Brandenburg. Dieses komische Hotel lag offenbar am Ende der Welt. Auch gut. Sie konnte eine kleine Auszeit vertragen.
     
    »Fahren Sie noch, oder halten Sie schon?« Katharina sah im Fond von ihrem Laptop auf und sendete polarkalte Blicke nach vorn.
    Der Fahrer ließ sich davon nicht im mindesten beeindrucken. Wie in Trance steuerte er die gepanzerte schwarze Limousine, während er mit seiner Freundin telefonierte. Seine Stimme war zu einem Raunen gedämpft, doch Katharina verstand jedes Wort.
    »Schatzilein, ist was Berufliches«, gurrte er. »Nein, heute Abend nicht. Ja, morgen Nachmittag. Kochst du was Schönes? Ziehst du die schwarze Wäsche an? Was? Eine – ÖL-MASSAGE? Wow, wow, wow!«
    Einfach ekelhaft, dachte Katharina. Und so was arbeitet ausgerechnet als Fahrer fürs Familienministerium. Nicht auszuhalten war es mit diesem Mann. Aber mit welchem Mann war es schon auszuhalten?
    »Finden Sie nicht, es wäre angebracht, Ihr regressives Frauenbild zu überdenken?«, fragte Katharina schneidend.
    »Moment, Schatzilein, ja, bleib dran« – der Fahrer drehte sich um, was zu einer Beinahekollision mit einem Motorradfahrer führte – »Frau Dr. Severin? Haben Sie etwas gesagt?«
    Solche Männer gehörten ins Frauenhaus. Dreimal täglich die Klos putzen und sich die Geschichten geknechteter Opfer anhören, das könnte den Typen vielleicht kurieren, überlegte Katharina.
    »Keine Privatgespräche in der Dienstzeit!«, blaffte sie. »Sonst sitzen Sie demnächst wieder in der Pförtnerloge.«
    »Wie Sie wünschen«, erwiderte der Fahrer achselzuckend. Halblaut wisperte er in die Freisprechanlage: »Bist so ein geiler Hase. Muss jetzt Schluss machen. Sie zickt wieder.«
    Demnächst kann er sich seine Entlassungspapiere abholen, beschloss Katharina. Dem fehlt es einfach an Respekt. Immerhin gehörte sie zur politischen Elite der Republik. In ihrem dunklen Nadelstreifenanzug und mit ihrem strengen Haarknoten war sie die Verkörperung der selbstbewussten Karrierefrau. Leider entging das diesem verblödeten Steinzeitmacho.
    Die Fahrt schien endlos. Katharina telefonierte. Katharina checkte ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher