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Seifenblasen kuesst man nicht

Seifenblasen kuesst man nicht

Titel: Seifenblasen kuesst man nicht
Autoren: Elisabeth Herrmann
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stand auf dem Bürgersteig. Um ein Haar hätte Coralie sie umgefahren. Dieses Mal trug sie einen knallgelben Kimono und hatte die Haare unter einem hochgetwisteten Seidentuch versteckt. Sie sah aus wie eine etwas verwirrte Prinzessin aus dem Morgenland, die geschätzte sechzig Jahre zu spät zu ihrem Rendezvous mit dem Thronfolger erschien. Aber ihre kleinen Augen strahlten, und ihre Stimme klang, als sei sie persönlich für das Wetter verantwortlich.
    Â»Ist das nicht ein herrlicher Tag?«
    Zum Schlafen, dachte Coralie. Wie können Leute um diese Uhrzeit nur so wach sein? Sie stieg von ihrem Fahrrad ab, griff in den Anhänger und reichte Asta die Zeitung. »Bitte sehr.«
    Â»Vielen Dank. Möchten Sie vielleicht einen Tee? Ich habe gerade welchen aufgesetzt. Kräuter aus meinem Garten.«
    Coralie erhaschte wieder einen Blick durch das Gartentor und erkannte jede Menge nicht gerade vertrauenerweckendes Gestrüpp. »Vielen Dank. Ich habe keine Zeit. Ich muss weiter.«
    Â»Ach so … ja, natürlich.« Asta drehte sich um und tastete sich zurück zu ihrem Tor.
    Plötzlich hatte Coralie Mitleid. Wie das wohl war, in so einem kleinen, etwas heruntergekommenen Haus inmit ten dieser Prachtvillen zu leben? Asta sah einsam aus. »Fünf Minuten. Mehr nicht.« Sie schob das Fahrrad samt Anhänger aufs Trottoir. »Ich muss rechtzeitig in der Schule sein.«
    Das Lächeln im Gesicht der alten Dame erschien so schnell, als hätte jemand eine Lampe angeknipst. »Natürlich. Kommen Sie. Kommen Sie!«
    Sie öffnete das Tor und lud Coralie samt Fahrrad und Anhänger mit einer weit ausholenden Geste ein. Vorsichtig sah Coralie sich um. Manchmal kreuzten sich ihre Wege mit denen der anderen Zusteller. Sie musste die Zeit, die sie hier verlor, unbedingt wieder reinholen. Wenn jemand sie dabei beobachtete, wie sie gemütlich Tee trank, statt ihre Arbeit zu tun …
    Â»Die Kanne steht schon auf dem Tisch.« Asta strahlte übers ganze Gesicht. »Ich habe Sie nämlich erwartet.«
    Astas Haus war … ungewöhnlich. Durch und durch ungewöhnlich. Im Treppenhaus sah es so aus, als ob eine Herde Waldtiere auf der Flucht durch die Mauer gebrochen und dann stecken geblieben wäre. Die ausgestopften Köpfe von Wildschweinen und Hirschen hingen an den Wänden, allesamt schief und angestaubt, und glotzten sich mit ihren Glasaugen an. Der Teppich war ausgeblichen und an manchen Stellen abgeschabt. Möbel aus längst vergangenen Zeiten und Epochen, bunt zusammengewürfelt, meist aus brauner Eiche und manche mit gedrechselten Füßen oder Löwentatzen, machten die Räume auch nicht gerade heller. Ein gewaltiger Bronzeleuchter hing in der kleinen Diele. Coralie vermied es, direkt unter ihm durchzugehen, während sie Asta in die Küche folgte. Wenn sich genau in diesem Moment die Halterung aus dem bröckelnden Putz lösen würde …
    Â»Hier entlang!«
    Coralie betrat eine große, gemütliche Wohnküche. Alte, schwarzweiße Fliesen lagen auf dem Fußboden, darüber bunte Flickenteppiche. An den Wänden standen offene Regale. In ihnen türmten sich Keramikgeschirr und angelaufene Silbergedecke, so nachlässig aufeinandergestapelt, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein schien, bis alles miteinander auf den Boden krachen würde. Kupfertöpfe hingen an altmodisch geschmiedeten Gestellen von der Decke und auf dem Tisch mit dem Spitzenläufer hatte Asta zwei Teegedecke arrangiert.
    Â»Setzen Sie sich doch.«
    Â»Ich weiß nicht …« Coralie war unbehaglich zumute. Das war zu viel. Sie hatte geglaubt, eine Tasse Tee im Stehen, ein bisschen kurzes, belangloses Geplauder – das würde reichen. Aber Asta war wohl anderer Meinung. Von einem alterssschwachen, hohen Kühlschrank, der asthmatisch vor sich hin rasselte, holte sie einen Teller mit Haferplätzchen und stellte ihn, nach ausgiebigem Hin- und Herschieben, Deckchenzupfen und Tassenarrangieren, schließlich in der Mitte des Tisches ab.
    Nun gab es nicht viel, mit dem man Coralie jagen konnte. Aber zu dem wenigen gehörten staubtrockene Kekse noch vor oder anstelle eines ordentlichen Automechanikerfrühstücks.
    Â»Bitte sehr. Nehmen Sie Platz.«
    Â»Frau Sander, ich kann nicht so lange bleiben.«
    Â»Eine Tasse, mein Kind. Pfefferminze, Kamille und Brennnessel aus meinem Garten.«
    Danke, ich fühle mich eigentlich
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