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Seidene Küsse

Seidene Küsse

Titel: Seidene Küsse
Autoren: J Leheta
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der Hitzeschleier emporstieg.
    »Was hast du denn gedacht?«, erwiderte Fabian. »Hast du was anderes erwartet, wenn Julia kocht?« Er wickelte die Spaghetti gekonnt um die Gabel und aß.
    Schnuckelig sah Fabian aus mit den zerzausten aschblonden Haaren und dem beigefarbenen Rollkragenpulli.
    Entschuldigend sah Julia sie an. »Ich wollte euch nicht vergiften. Das ist nun mal das einzige Essen, das ich irgendwie hinbekomme.«
    »Ja, ja«, spöttelte Fabian, »nur … deine. Nudeln lösen sich gleich in ihre Einzelbestandteile auf.«
    Sie foppten sich gern, und Julia war deswegen auch nicht beleidigt, das hatte Marina schon festgestellt.
    »Ich werde es halt nie lernen. Aber ihr besteht ja auf meinem Beitrag zum Kochen.« Listig sah sie Marina und Fabian an. »Wir können gern was gegen das Kochen tauschen.«
    »Auf keinen Fall. Wir hoffen immer noch, dass du es lernst«, sagte Marina und schob sich eine Gabel voll Essen in den Mund, den sie sogleich verzog. Es war genießbar, aber der Hit war es nicht. Ihre schwarzen glatten Haare fielen ihr ins Gesicht, und sie strich sie hinter die Ohren.
    Julia sah zu Marina. »Ich fahre heute Abend zu meinen Eltern nach Köln und komme erst am Freitag wieder.«
    »Und ziehst durch die Kneipen am Rosenmontag«, fügte Fabian hinzu.
    Schnell schluckte Julia das Essen hinunter. »Hm. Und wie. Und, geht ihr auf den Viktualienmarkt?«
    »Also, ich bestimmt«, sagte Marina.
    »Super. Dann lass uns doch miteinander dorthin gehen«, antwortete Fabian. »Dann werde ich dir Landei zeigen, was hier abgeht.«
    Marina nickte nur, da ihr Mund noch voll war.
    Fabian mit seinen sechsundzwanzig Jahren hatte es Marina angetan. So einen Typen hatte sie auf dem Land nie kennen gelernt. Er studierte Medien-Design und malte auch Bilder. Kein so modernes Zeug, mit dem sie nichts anzufangen wusste. Überall in der Wohnung hingen seine Werke.
    Er malte Menschen, er fotografierte sie überall und zeichnete sie dann vom Foto ab. Hier in der Küche hing ein Bild von einem Obdachlosen, dessen Gesicht zerfurcht war wie die Äcker, wenn sie für die Frühjahrssaat gepflügt wurden. Ganz konzentriert aß er von seinem Teller, tief darüber gebeugt. Man konnte sogar den Schmutz unter den langen Fingernägeln erkennen und den starren Blick. An seiner resignierten Haltung sah man, dass das Leben ihm viel zugemutet hatte und er trotz seines Alters schon einiges erlebt hatte.
    Wie gut musste jemand beobachten können, um so ein Werk zu schaffen! Sonst gab Fabian sich eher flippig, aber seine Bilder zeugten von großem Einfühlungsvermögen. Etwas, das man in der Form nicht von ihm erwartete, wenn man ihn nur flüchtig kannte.
    Eigentlich stand sie nicht auf Männer mit Babyface, aber Fabian hatte etwas an sich, dem sie sich nur schwer entziehen konnte.
    »So, Leute, ich verzieh mich«, sagte Julia. »Ihr macht den Abwasch.« Sie stand auf, schnappte sich noch eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und verließ die Küche.
    »Wer spült?«, wollte Marina wissen.
    »Immer der, der fragt.«
    Gemeinsam machten sie sich daran, das Chaos zu beseitigen, das Julia jedes Mal beim Kochen hinterließ.
    Ihr Job als Verkäuferin in einer Boutique fing erst in der folgenden Woche an. Marina wollte die Zeit genießen, die ihr bis dahin blieb.
    Fabian würde erst sehr spät zurückkehren, deshalb hatte sie sich erst gar nicht die Mühe gemacht, die Badezimmertür zu verschließen. Da sie morgen bereits sehr früh zum Viktualienmarkt wollten, duschte sie am Abend. Morgens nutzte sie jede Minute Schlaf, die sie bekommen konnte. Sie duschte nicht gern, wenn sie noch so schlaftrunken war.
    Das Wasser lief über ihren Körper und plätscherte in die Duschwanne. Gurgelnde Geräusche, während es in den Abfluss lief. Endlich hatte sie einmal richtig Zeit, sich ausgiebig damit aufzuhalten. Keiner, der klopfte oder es eilig hatte.
    Sie legte den Kopf nach hinten, hielt die Haare unter den warmen Strahl und strich sie nach hinten.
    Als sie die Augen öffnete, stand Fabian vor ihr, getrennt durch einen durchsichtigen Plastikvorhang mit eingeprägten Sternen. Zunächst konnte sie gar nicht reagieren. Beide starrten sich an, keiner bewegte sich. Sein Blick tastete sie ab, ihr Gesicht, ihre Brüste, und glitt tiefer. Als wolle er sich jede Pore einprägen. Immer noch war es ihr nicht möglich zu reagieren. Sie war nicht erschrocken, dennoch war es seltsam. Erst als er sich umdrehte und das Badezimmer verließ, wurde der Bann gebrochen.
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