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Seidene Küsse

Seidene Küsse

Titel: Seidene Küsse
Autoren: J Leheta
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etwas zu trinken?«
    Marina schüttelte unmerklich den Kopf. Was hatte er gesagt? Ach ja, ob sie etwas trinken wolle. Und sie erwachte, nahm alles wieder wahr. Die Konturen wurden kräftiger, der Fokus lag nicht weiter auf Fabian.
    Sie sprang fast auf und wollte an ihm vorbei in ihr Zimmer stürzen. Fabian erwischte sie an der Hand. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich wieder zu ihm umdrehte. Er war inzwischen aufgestanden. Und ehe sie sich versah, schnappte er sie und küsste sie. Nicht langsam, nein, so stürmisch, dass ihr die Luft wegblieb. Zuerst wollte sie ihn mit ihrem Arm noch auf Abstand halten. Dann, ohne dass sie wusste, wie es passiert war, lag er um seinen Hals. Und sie zog seinen Kopf noch näher zu sich heran. Sein Gaumen schmeckte nach Wein.
    Er strich ihre Haare weg, die bei diesem wilden Kuss störten. Sie konnte es nur fühlen, denn ihre Augen waren geschlossen. Seine Zunge wilderte in ihrem Mund, jeder Zungenschlag ließ sie erbeben. Tiefer, schneller, heißer. So, als verpassten sie etwas, wenn sie nicht noch diesen Winkel des Mundes oder jenen erforschten.
    Mit beiden Beinen stand sie fest auf dem Boden, ansonsten wären sie unweigerlich umgefallen. Ihr ganzer Körper kribbelte so sehr, dass ihr die Knie wegknickten. Fabian hielt sie noch fester.
    Marina stemmte die Hände schwer gegen ihn und versuchte ihren Kopf von seinem zu lösen. Plötzlich stand sie allein da, von Schwindel erfasst. Sie wankte, als hätte sie zu viel Wein erwischt. Die Wärme, die sie eben noch umfangen hatte, war weg. Fast fröstelte sie ohne ihn.
    »Gute Nacht.« Und schon eilte sie zur Tür.
    »He, warte.«
    Marina blieb kurz stehen, drehte sich aber nicht um. »Wir sehen uns morgen.« Sie musste sich zwingen, zu ihrem Zimmer zu gehen. Dort angekommen, lehnte sie sich schwer gegen die Tür. Dann verschloss sie diese zum ersten Mal, seit sie hier wohnte.
    Inzwischen hatten sie mehr Zeit auf dem Viktualienmarkt verbracht, als ein normaler Arbeitstag dauerte. Musik dröhnte aus den Lautsprechern, und der Bass vibrierte in den Beinen. Morgens hatte sie zum ersten Mal mit eigenen Augen Transvestiten gesehen, die in ihren verrückten Kreationen auf sich aufmerksam gemacht hatten. Auf dem Land war sie nie damit in Berührung gekommen, so etwas kannte sie nur vom Fernsehen.
    Um elf Uhr waren die Marktfrauen aufgetreten, und die Meute war kaum aufzuhalten gewesen. Ständig waren ihr von Männern, die ihrer habhaft werden konnten, alkoholische Getränke aus Plastikbechern angeboten worden. Rocklieder wurden gesungen, Arme griffen nach ihr und schwenkten sie im Takt herum. Sie wollte fast vor Glück bersten. So ein Tollhaus hatte sie noch nie erlebt, und diese Fröhlichkeit! Der Platz war schnell so voll geworden, dass man kaum noch stehen konnte. Engelchen, Teufelchen, Bären, Fantasiekostüme, Bienen und die wildesten Kostüme wechselten sich vor ihren Augen ab. Sie wusste manchmal gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Es war überhaupt nicht möglich, diese ganzen Eindrücke aufzunehmen. Jetzt, am späten Nachmittag, lagen überall Flaschen, Becher und Konfetti herum, einiges davon hatte sie aus ihren Haaren geschüttelt. Wohin man sah, waren Narren, die sich zusammengerottet hatten, diesen verrückten Tag zu feiern.
    Manchmal hatte Fabian sie hochheben müssen, damit sie über seine Schultern einen Blick auf die Menschenmassen, Stände, Schirme und Lautsprecher werfen konnte. Welch ein Tag, und dann dieses Traumwetter. Viel zu heiß für die Bärenkostüme! Die Ärmsten würden darunter gebraten werden und in ihrer eigenen Hitze ersticken.
    »Komm, wir ziehen noch um die Häuser«, schlug Fabian vor. Er hatte einen Leichten sitzen, war aber nicht betrunken. Besoffene hatte sie mehr als einen gesehen.
    »Nein, ich bin tot, ich kann nicht mehr.«
    »Du gibst auf?«, schrie er ihr ins Ohr, um den Lärm zu übertönen.
    Ihre Ohren summten, seine Worte kitzelten sie. »Ja«, schrie sie zurück.
    Fabian hatte eine überdimensionale Kappe auf dem Kopf, die rot und weiß gemustert war, eine rote Krawatte, die inzwischen ein Stück kürzer war, dazu eine übergroße rote Hose mit Hosenträgern und ein weißes Hemd. Inzwischen war es von Lippenstift und Filzer mit allerlei Verzierungen bemalt. Er wirkte unbeschwert und sah witzig aus. Marina hatte kein Faschingskostüm gekauft, sie hatte einfach nur eine Jeans und ein T-Shirt übergezogen.
    Er nahm sie bei der Hand und zog sie durch die wogende Menge Richtung Marienplatz. Es
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