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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit
Autoren: Karl Schroeder
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einer Weile. Dann zögerte er. »Das wird dir jetzt nach allem, was wir hinter uns haben, schrecklich belanglos vorkommen. Aber da ich höchstwahrscheinlich kein Admiral mehr bin, möchte ich, dass du mich Chaison nennst. Und es wäre mir eine Ehre, dich meinerseits mit deinem Vornamen anzusprechen … Allerdings muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich den nicht kenne.«
    Martor schnaubte. »Sie waren mit anderen Dingen beschäftigt – und überhaupt waren Sie der Admiral, und ich bin nur ein zwangsrekrutierter Schiffsjunge. «
    Â»Das mag schon sein, aber wir sind miteinander durch ein Abenteuer gegangen, wie es nur wenigen Menschen beschieden ist. Und ich habe dich …« auf ein Himmelfahrtskommando geschickt . Er sprach es nicht aus. Aber Martor hatte es zu dem Zeitpunkt gewusst und war trotzdem gegangen.
    Â»Ich bin mit heiler Haut davongekommen«, lachte Martor, und Chaison spürte, wie sich ein seltsames Gefühl der Erleichterung in ihm ausbreitete. Dieser Junge war dabei gewesen, er hatte die Schlacht genauso erlebt wie er selbst. Was zählte es da, dass Martor das rangniedrigste Besatzungsmitglied in der gesamten Flotte war und Chaison ihr Admiral? Sie hatten etwas gemeinsam.

    Doch dann musste er feststellen: »Mir ist nicht entgangen, dass du meine Frage nicht beantwortet hast.«
    Martor wand sich vor Verlegenheit. »Ich mag meinen Vornamen nicht«, gestand er nach kurzem Zögern. »Früher hat man mich deshalb ständig gehänselt.«
    Richard Reiss lachte schallend. »Wir werden dich nicht ›hänseln‹, Ehrenwort. Aber mach es nicht so spannend, Junge. Wie heißt du denn nun?«
    Wieder eine kurze Pause. »Darius.«
    Â»Aber das ist doch ein schöner Name«, sagte Chaison.
    Â»Wirklich?« Darius Martors Stimme klang hoffnungsvoll.
    Â»Ein Name ist wie ein Werkzeug«, dozierte Richard. »Und man muss sich die richtigen Werkzeuge beschaffen und sie nutzbringend einsetzen. – Wenn du wirklich findest, dass dein Name nicht zu dir passt, solltest du ihn ändern.«
    Â»Ã„ndern? Aber ich habe ihn doch von meinem Vater bekommen!«
    Â»Aha … sentimentale Gefühle.« Chaison sah förmlich vor sich, wie Richard im Dunkeln nickte.
    Â»Darius ist mein Name, und das soll, verdammt noch mal, auch so bleiben. Wie ist das überhaupt bei Ihnen?«, erregte sich Martor. »Ist das Feuermal auf Ihrem Gesicht auch ein Werkzeug? Oder müssen Sie nur damit leben?«
    Â»Wenn ich ehrlich sein soll, finde ich es sogar ganz nützlich. Es hilft den Leuten, sich an mich zu erinnern«, erklärte der ehemalige Botschafter in Gehellen. »Als Kind habe ich sehr darunter gelitten. Meine Altersgenossen haben mich deshalb verspottet, und ein paarmal
wurde ich auch verprügelt. Aber dann habe ich gelernt, mich mit Verhandlungen aus der Affäre zu ziehen, eine Fähigkeit, die mich weit gebracht hat. Vielleicht verdanke ich diesem Mal sogar meine Karriere. Wie gesagt, man muss alles einsetzen, was man hat.«
    Chaison hatte mit Interesse zur Kenntnis genommen, wie Richard Darius’ Bedenken wegen seines Namens geschickt zerstreut und zugleich das Gespräch auf seine – Reiss’ – eigenen Vorzüge gelenkt hatte. Er speicherte diese Beobachtung für künftige Fälle ab.
    Wieder trat Schweigen ein, aber die Spannung hatte sich ein wenig gelöst. Chaison lächelte sogar und schaute sich nach allen Seiten um (obwohl er sicher war, dass es nichts zu sehen gab). Zu seiner Überraschung entdeckte er unter seinen Füßen einen schwachen roten Schein.
    Â»Seht ihr das auch?«
    Â»Was? Wo?«
    Â»Ich würde ja hindeuten, aber das hätte zurzeit wenig Sinn … Ich sehe jedenfalls ein rotes Licht.«
    Eine Weile war es still, dann machten die beiden anderen gleichzeitig: »Oh!«
    Â»Das ist kein Habitat«, stellte Richard fest.
    Â»Ein Schiff ist es auch nicht«, ergänzte Darius.
    Â»Und keine Sonne. Ich …«
    Â»Pst!« Chaison wedelte mit der Hand. »Hört doch nur!«
    Er hatte das Geräusch für fernes Donnergrollen gehalten – sonst wäre ihm womöglich schon vor einer halben Stunde aufgefallen, dass es näher kam. Aus der Richtung des Lichtscheins ertönte ein tiefes, gleichmäßig moduliertes Brummen, ein Heulen in den tiefsten Bereichen, die das menschliche Ohr noch aufnehmen
konnte. Es schwoll sehr langsam
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