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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit
Autoren: Karl Schroeder
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einander
bei Schwerkraft in einer Wohnung gegenüber, die Venera (unter dem Namen Amandera Thrace-Guiles) auf einem von Rushs vornehmeren Habitaträdern angemietet hatte. Garth, ein alternder Schwerenöter, der erst vor kurzem zu Veneras engstem Freund und Vertrautem avanciert war, schob zwei der Bilder ein Stück weit übereinander. »Martin Shambles ist eine Schlüsselfigur in der Widerstandsbewegung von Aerie. Dein Freund Hayden Griffin ist offenbar mit ihm bekannt. «
    Â»Wundert mich nicht«, murmelte Venera. Die Nation Slipstream breitete sich von ihrer Hauptstadt, ebendieser Stadt Rush, nach allen sechs Himmelsrichtungen aus; doch Tausende Kubikkilometer Farmland und Wohngebiete, die jetzt im Licht von Slipstreams Sonne lagen, hatten einst zu einem Konkurrenten gehört, einer Nation namens Aerie. Slipstream hatte Aeries Sonne zerstört, seinen Luftraum erobert und seine Bevölkerung integriert – das hatte natürlich Widerstand hervorgerufen. Griffin war selbst Mitglied einer solchen Bewegung gewesen, als Venera seine Bekanntschaft machte.
    Â»Seit Griffin wieder auftauchte und anschließend zum zweiten Mal in der Versenkung verschwand, leitet Shambles Versorgungsgüter und Geld an einen geheimen Standort in einem der sonnenlosen Gebiete«, fuhr Diamandis fort. »Wenn Griffin die Bauteile, die er aus der Ersten Sonne mitnehmen konnte, ebenfalls in dieses Versteck gebracht hat …«
    Â» … dann entsteht dort Aeries neue Sonne«, ergänzte Venera und lehnte sich zurück. »Mannomann! Der Junge verblüfft mich immer wieder. Als ich ihn damals einstellte, war er ein guter Chauffeur. Sieht ganz
danach aus, als gäbe er jetzt einen noch besseren Helden ab.«
    Wenn es Aerie gelänge, sich eine eigene neue Fusionssonne zu bauen und sie in Gang zu setzen, könnte sich seine Bevölkerung aus Slipstreams Knechtschaft befreien. Venera hatte in Slipstreams Adelsklasse eingeheiratet, aber das bedeutete nicht, dass sie sich ihrer neuen Heimat verpflichtet fühlte. Nach den jüngsten Geschehnissen war genau das Gegenteil der Fall.
    Â»Also …« Der herrlich verwickelte Plan, an dem sie seit Wochen bastelte, hatte eine befriedigende Wendung genommen. »Wenn man das Patt zwischen der Admiralität und dem Palast berücksichtigt, liegen in dieser Partie bereits bei zwei Hauptakteuren die Nerven blank.«
    Â»Die Aufständischen wären Mitspieler Nummer drei«, bemerkte Diamandis.
    Â»Die Grüppchen von Unzufriedenen in Aerie sind die vierte Partei.« Sie zählte an den Fingern ab. »Die fünfte bilden Hayden Griffin und Shambles’ Leute. Und die Interessen aller Seiten laufen rasch auf einen Punkt zu. Wann mag die neue Sonne einsatzbereit sein?«
    Â»Und schließlich …«, soufflierte Diamandis und setzte das Lächeln auf, mit dem er in seiner Jugend so manches Mädchenherz zum Schmelzen gebracht hatte.
    Â»Und schließlich sind da noch wir «, ergänzte sie. »Alle gegnerischen Kräfte verstärken sich untereinander. Die Aufständischen in der Stadt, die offene Konfrontation zwischen der Admiralität und dem Palast und dann noch diese Aerie-Verschwörung. Es fehlt nur ein Funke, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen.«

    Venera und Diamandis grinsten sich an. Dann stand Venera auf, trat ans Fenster und zog den schweren Samtvorhang zurück. Vor ihr lag eine Dachlandschaft, die sich in der Ferne allmählich bis zur Senkrechten nach oben wölbte. Viele der Dächer waren bemalt oder hatten bunte Schindeln, die zu Mustern gelegt waren; an der Innenseite eines Zylinders war das eigene Dach der sichtbarste Teil eines Hauses, und Rushs Bürger waren stolz auf ihre Behausungen.
    Venera nahm das farbenfrohe Bild gar nicht wahr. »Eine neue Sonne für Aerie!« Sie wiegte nachdenklich den Kopf. »Genau das, was wir brauchen. Garth, du musst herausfinden, wann sie fertig ist. Wir werden unsere Pläne mit den Konstrukteuren abstimmen – Verbindung aufnehmen, ohne uns zu erkennen zu geben.«
    Venera öffnete das Fenster und beugte sich hinaus; sofort fuhr ihr der Rotationswind ins Haar und ließ es wie Rabenschwingen um ihren Kopf flattern. Sie schloss die Augen und genoss die Kühle. Zum ersten Mal seit vielen Tagen war sie zufrieden. Sie wurde in Slipstream als Verbrecherin gesucht und hatte sich seit ihrer Rückkehr in dieser kleinen Wohnung verkrochen, doch
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