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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit
Autoren: Karl Schroeder
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immer noch nicht aufhalten.
    Chaison sah sich um. Sie waren zurückgewichen, so weit es ging, und standen nun vor dem Leichnam des Piloten. Mit Kugeln war diesem Wesen nicht beizukommen: Er sah nur eine Möglichkeit, die Sache zu beenden, aber das Argyre-Monster war sicherlich zu schlau, um darauf hereinzufallen. Es sei denn, er gäbe ihm genau das, was es wollte …
    Â»Tut mir Leid, Liebes«, sagte er und stieß Venera auf die KI zu. Venera schrie auf. Argyre grapschte mit Klauenhänden nach ihrer Jacke, riss den weißen Schlüssel zu Candesce heraus und hielt ihn triumphierend in die Höhe.
    Chaison stürzte sich auf sie.
    Es war, als renne er gegen eine Wand. Ohne den starken Sog des zerbrochenen Fensters hätte sich Argyre wahrscheinlich keinen Zentimeter bewegt. Doch nun taumelte sie, und schon wurde sie zusammen mit Venera und Chaison nach draußen gerissen. Chaison blieb die Luft weg, und alles verschwamm ihm vor den Augen, als sie durch die Rotation des Palasts mit mehr als hundertfünfzig
Stundenkilometern davongetragen wurden. Eine rot-schwarze Gestalt kam kurz in sein Blickfeld, er beugte sich zu ihr und bekam sie um die Taille zu fassen. Venera öffnete ihre Schwingen, und beide wurden abgebremst.
    Er schaute zurück und sah im Licht der beiden Sonnen etwas Silbriges aufblitzen. Der Tiefenschwärmer stürzte sich auf Telen Argyre. Sie stieß einen Schrei aus, unheimlich und unmenschlich wie eine verklingende Sirene, und verschwand in seinen Klauen.
    Chaison und Venera hielten sich fest umschlungen. Über ihnen zitterten die Schwingen. Allmählich verlangsamte sich der rauschende Wind zu einer sanften Brise. Sie stürzten noch immer – der Palast lag bereits einen Kilometer hinter ihnen –, aber nicht mehr mit dieser mörderischen Geschwindigkeit.
    Endloser Himmel umgab sie, Himmel oben und unten, Himmel nach links und nach rechts. Weiße Wolken zeichneten unendlich viele Muster auf das Blau, Muster, die immer kleiner wurden. Alle Fische und Vögel an diesem Himmel waren frei und lebendig, frei und lebendig waren auch die Wohnstätten der Menschen und die Männer und Frauen aus Chaisons Kindheit und Jugend. Seine Sonne schien immer noch, auch wenn sie einen neuen Begleiter bekommen hatte.
    Der Tiefenschwärmer vollendete sein Zerstörungswerk. Er hatte eine Trümmerspur über den Himmel gezogen, doch als er nun gemächlich davonzog, sah Chaison, dass er einen kleinen weißen Gegenstand zwischen zwei Klauenspitzen hielt. »Da geht der Schlüssel hin«, sagte er.

    Â»So ist es am besten«, antwortete Venera. Sie umarmte ihn fest, die warme Luft strich vorbei. Sie blieben lange in dieser Stellung, bis sie plötzlich die Stirn runzelte.
    Â»Das alles wäre nicht nötig gewesen«, hielt sie ihm vor, »wenn du einfach da geblieben wärst, wo man es dir gesagt hat.«
    Â»Da geblieben? Wovon redest du?«
    Â»Vom Gefängnis. Als ich kam, um dich zu retten. Ich will mich nicht loben, aber es war ein genialer Plan, und du hast alles verdorben, als du darauf bestanden hast, deine Männer mitzunehmen …«
    Â»Das warst du?«
    Â»Natürlich war ich das. Was dachtest du denn?«
    Â»Du hast auch hinterher nach mir gesucht?«
    Â»An allen Ecken und Enden. In dieser Ruinenstadt Songly habe ich dich nur knapp verfehlt, und in Stonecloud war es nicht anders …«
    Â»Du hast die Gerüchte über meine Rückkehr verbreitet. «
    Sie nickte.
    Â»Und dein Pseudonym?«
    Â»Von Spyre. Ich war eine Weile dort.« Ihre Miene hellte sich auf, als wäre ihr etwas eingefallen. »Ich wollte dir ein Pferd mitbringen … Aber als die Welt unterging, fiel es über den Rand.«
    Â»Was?«
    Â»Ich erkläre es dir später.«
    Lange schwiegen sie beide.
    Â»Du magst also Frauen mit großen Augen?«
    Â»Ã„h, Antaea ist nur … Nun, sie hat mich diesem Monster ausgeliefert.«

    Â»Seit wann stört es dich, wenn eine Frau nicht aufrichtig ist?«
    Â»Eigentlich … hänge ich sehr an einer ganz bestimmten unaufrichtigen Frau, die mir schon mehrfach das Leben gerettet hat.«
    Â»Nun ja«, entgegnete sie vergnügt. »Ich habe nie bereut, meinen Vater erpresst zu haben, damit ich dich heiraten durfte.«
    Â»Was?«
    Â»Entschuldige, habe ich laut gedacht?«
    Wieder blieb es lange still. Dann:
    Â»Was ist so komisch?«
    Â»Du und ich, Miss
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