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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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Bullock aus der Hand geschossen habe. Sie prallte gegen das Fahrzeug und fiel zu Boden. In der Aufregung haben wir das verdammte Ding allesamt vergessen. So eine Scheiße aber auch!«
    »Dich trifft keine Schuld, Gerd. Ebenso wenig wie alle anderen hier. Es war einfach eine unglückliche Verquickung der Umstände. Grabert hat sich selbst gerichtet … irgendwie kann ich ihn sogar verstehen.«
    »Das sagst du so leicht. Natürlich mache ich mir Vorwürfe«, widersprach Vespermann, und nach kurzer Pause fügte er geknickt hinzu: »Meinen Feierabend kann ich mir jetzt auch abschminken. Geschieht mir recht.«

Epilog
    Bereits am Montag wurde Grabert beerdigt. Der Trauerfeier im »Haus des Abschieds« wohnten nur wenige Menschen bei. Neben seiner Frau – um genau zu sein, seiner Exfrau – und den beiden fast erwachsenen Kindern waren nur ein paar wenige Weggefährten seines nicht einmal fünfzigjährigen Lebens erschienen. Darunter Keller, der fünf Jahre lang sein Vorgesetzter gewesen war und mit dem Grabert sich anscheinend gut verstanden hatte.
    Wolf hatte zusammen mit seinem Sohn in einer der hinteren Reihen gesessen. Während der Trauerrede, die aufgrund von Graberts Suizid und seinem Austritt aus der katholischen Kirche von einem weltlichen Gastredner gehalten worden war, hatte er das Wenige, was er von Grabert wusste, noch einmal rekapituliert. Wie erwartet war er auch diesmal zu keinem Ergebnis gekommen. Er konnte sich nach wie vor keinen Reim darauf machen, wie Grabert, den er als kühlen Pragmatiker kennengelernt hatte, in die Fänge der betrügerischen Finanzmafia geraten konnte.
    Auch seine Hoffnung, von Graberts Exfrau Aufschluss darüber zu bekommen, hatte sich nur zum Teil erfüllt.
    »Sie kannten eben Karl-Heinz nicht«, hatte sie gesagt, nachdem sie den Trauersaal verlassen und er sie darauf angesprochen hatte. »Zeit seines Lebens hat er nicht verkraften können, dass  ich  das Geld in die Ehe eingebracht habe. Er kam sich dadurch … wie soll ich sagen? Er kam sich wohl irgendwie minderwertig vor. Er wusste, in seinem Beruf würde er es niemals zu großen Reichtümern bringen. Also setzte er alles daran, wenigstens  mein  Geld zu vermehren. Wahrscheinlich wollte er mir zeigen, dass er es in puncto Finanzen durchaus mit meiner Familie aufnehmen konnte.«
    Wolf nickte. »Verstehe. Aber er war auch ein erwachsener, intelligenter Mann. Er hätte wissen müssen, dass da etwas im Busch war.«
    »Gier frisst Hirn«, bemerkte Henning und brachte es so auf einen Nenner.
    Andrea Sennefeldt lächelte bitter. »Sie sagen es. Das ist ja gerade das Teuflische an dem Loading-System.«
    »Entschuldigung, wie heißt das noch mal?«
    »Loading-System.« Sie buchstabierte das erste Wort. »Anfangs scheint alles phantastisch zu funktionieren – jedenfalls kommen misstrauische Neueinsteiger zu diesem Schluss.«
    »Soll das heißen, die versprochenen Zinsen werden anstandslos ausbezahlt?«, hakte Henning nach.
    »Zunächst ja. Dreißig Prozent im Monat –  im Monat , das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wer kann zu so einer Rendite schon Nein sagen? Angenommen, Sie setzen testweise einen vierstelligen Betrag ein, den Sie notfalls verschmerzen können, sollte die Sache schiefgehen. Prompt bekommen Sie am Monatsletzten die versprochenen Zinsen – in bar, versteht sich. Sie wiederholen das Spiel, und es klappt wieder. Schließlich gehen Sie aufs Ganze und setzen alles, was Sie haben, vielleicht pumpen Sie sogar Freunde und Verwandte an …«
    »Mich hat er auf diese Weise ja auch dafür gewonnen«, warf Keller ein.
    »Sehen Sie.«
    »Also im Grunde ein klassisches Schneeballsystem«, konstatierte Henning.
    »Na gut«, meinte Wolf, der noch immer etwas skeptisch war, »aber irgendwann ist Schluss mit lustig, dann steig ich dahinter und zeig die Leute an. Jedenfalls wüsste ich nicht, was mich davon abhalten sollte.«
    »Leider ist die Sache nicht so einfach, wie sie sich anhört«, antwortete Andrea Sennefeldt. »Durch seine Geldgier hat sich der Anleger ja quasi selbst zum Loser gemacht. Leichtgläubig hat er sein gutes Geld auf windige Versprechungen gesetzt – und alles verloren. Wer will das schon freiwillig hinausposaunen? Damit hätte er zum Schaden auch noch den Spott, und den hält keiner lange aus, glauben Sie mir. Daran ist letztlich auch mein Exmann zerbrochen.«
    »Er war krank, nicht wahr?«, mutmaßte Wolf.
    »Krebs. Die Bauchspeicheldrüse. Eine Folge der ganzen Geschichte. Es
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