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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
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schon ein wenig bange um unsern Plan: beinahe bis Mitternacht hatten wir allein damit zu tun, die schweren Träger heranzuschleifen. Jedes Trumm wog einige Zentner, und ein Schiffsdeck kann man nicht ausräumen wie einen Tanzboden. Ehe der Kran eingreifen konnte, um die Träger im Kreuzverband auf den Unterbau zu türmen, wo sie dann miteinander verschweißt werden sollten, mußten wir sie am Brückenaufbau vorbei fast über das halbe Deck schaffen. Und um den Gang für den Transport der nächsten Stücke frei zu haben, sollten sie gleich Stück für Stück fertig verlegt und zusammengeschweißt werden.
    Während ich nun mit Hogendahl auf dem freien Achterdeck neben dem Unterbau stand, um mir das von ihm geleitete Kranmanöver anzusehen, schleppten die Leute schon den nächsten Träger heran und legten ihn so zurecht, daß der Kran nur noch zuzugreifen brauchte. Den Kran bediente der Dunkimann; er ließ die Greifklaue heruntersausen, faßte den Träger in der Mitte, schwenkte ihn herum und etwa sechs oder sieben Meter empor, um dann für eine Weile zu verharren, bis Hogendahl den Träger genau eingelotet hatte.
    »Wieviel?« schrie der Dunki aus dem Steuerhaus des Krans herüber. Hogendahl trat unter die Last, um zu prüfen, ob die Lotspitze die angezeichnete Stelle im Kreuzverband auch genau traf. Er hielt das pendelnde Bleistück fest. Ich stand dicht hinter ihm und schaute zur Kranklaue empor, ob der Lotfaden exakt in der Mitte des Trägers hing.
    »Zwei Zoll nach links!« rief Hogendahl zurück und zeigte die Spanne zwischen Daumen und Zeigefinger an, während er gleichzeitig mit der linken Hand dem Dunki die erwünschte Richtung signalisierte.
    Was sich nun ereignete, geschah im Bruchteil einer Sekunde. Ich sah, daß sich die Greifklaue des Krans plötzlich öffnete und der Träger, der acht oder zehn Zentner wiegen mochte, genau auf Hogendahl herunterstürzte. Da packte ich zu und riß ihn an den Schultern, zurückspringend und fallend zugleich, an mich heran und über mich herüber. Zwischen Sturz und Aufschlag, aber mit gestochener Deutlichkeit, wie eine haarscharfe Aufnahme, sah ich die grell erleuchtete Fratze des Dunki über uns. Der schaute nicht etwa entsetzt darüber, was hier geschah, sondern gespannt wie ein Attentäter nach dem Anschlag auf sein Opfer. Und ich wußte: Was wie ein Unglücksfall aussehen sollte, war ein heimtückischer Mordanschlag!
    In diesem Moment prallte ich schon mit Hogendahls ganzem Gewicht auf mir mit dem Schädel hart gegen einen der bereitgelegten Träger und verlor, noch mit dem Donnerkrach des aufs Deck schlagenden Eisens im Ohr, das Bewußtsein.
    Und dann war alles wie im Schlaf oder wie im Traum oder wie ein Zustand zwischen Traum und Schlaf mit Augenblicken des Erwachens dazwischen. Die Mechaniker rannten herbei und aus dem Mannschaftslogis stürzten einige Leute halbnackt nach oben. Kapitän Maldonado erschien in einem schwarzseidenen Schlafrock. Der Doktor roch nach Whisky und hielt ein Magazin in der Hand. Der Steward drängte sich ohne seine Perücke heran, und der Koch erschien mit einer komischen Schnurrbartbinde unter der Nase und jammerte: »Mongdjöh! Mongdjöh!« Alle, außer den Seeleuten, hatten angstverzerrte Gesichter, als ginge es ihnen ans nackte Leben. Aber mir dröhnte der Schädel, und was ich wahrnahm, ging wie ein Schattenspiel und wie hinter Nebelschleiern vor sich.
    Im nächsten Augenblick spürte ich, daß sich eine Hand unter meinen Kopf schob, und ich hörte Fräulein Lydias Stimme dicht an meinem Ohr: »Ist er schwer verletzt? Um Gottes willen, wie konnte das nur geschehen?« Und ich fühlte mehr, als daß ich es sah, wie sie sich über mich beugten und wie Hogendahl sein Taschentuch auf die Platzwunde an meinem Hinterkopf preßte, und für einen Augenblick erwachte ich ganz klar, als ich nämlich die Lippen von Fräulein Lydia auf meinem Mund spürte. Dabei fiel eine Träne aus ihren Augen gerade auf meine Stirn, und ich hörte, wie sie »Ich danke dir, Pitt!« stammelte, aber wofür sie sich bei mir unter Tränen bedankte, wurde mir nicht recht klar.
    Kapitän Maldonado schaute mit zornigem Gesicht auf die Verwüstung, die das niedersausende Eisentrumm angerichtet hatte. Vom Steuerhaus des Krans her schleppten die wütenden Mechaniker Vohburger und Schmidtke den Dunki vor den Kapitän. Er spielte den wilden Mann und wollte durchaus über die Reling springen, aber sie hatten nicht allzuviel Mühe, ihn davon abzuhalten. Was man aus seinem
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