Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
mein Tauchgerät und die Tatsache, daß ich in kurzer Zeit mehr aus der Tiefe heraufholen werde als einen lumpigen Buchstaben aus Messing!«
    Er donnerte sie an, als ob er wirklich keinen anderen Gedanken als das Gold der >Kentucky< im Kopf hätte, und er paukte ein paarmal mit der Faust auf den Tisch, was vielleicht nicht sehr fein war, aber sehr überzeugend klang und schließlich bewirkte, daß Fräulein Lydia verstummte und ihn seine Antwort an Don Saraiva aufsetzen ließ.
    Aber ich kannte ihn besser und wußte, daß er niemals unsicherer in seinen Entschlüssen war, als wenn er donnerte. Natürlich, etwas Wahres war schon daran, daß er seine Arbeit kurz vor der Vollendung nicht unterbrechen wollte und daß er mit allen Fasern seines Herzens an seinem Werk hing und den Tag, an dem sich seine Träume verwirklichen sollten, mit Ungeduld herbeisehnte. Aber in der Hauptsache hatte er Saraivas Angebot doch aus dem Grunde ausgeschlagen, um Fräulein Lydia nicht allein und schutzlos auf der >Esperanza< und in der Gewalt von Don Saraiva zurückzulassen. Dafür gab er sogar seine Freiheit auf. Er war eben ein >Schentelmann< von echtem Schrot und Korn; und die Sorte von Männern, die, wenn sie etwas opfert, dabei nicht daran denkt, was für sie selber herausspringt, ist selten! Aber so einer war er.
    Als er ihr das Papier mit den paar Zeilen, aus denen seine Antwort an Don Saraiva bestand, gegeben hatte, da blieb er, nachdem er sie bis zur Tür begleitet hatte, mit der Hand auf den Drücker gestützt, noch eine Weile stehen. Dann drehte er das Licht aus. »Ein verdammt anständiges und tapferes Mädchen!« sagte er in die Dämmerung hinein. »Sollte man das glauben? Sie hätte mir beinahe den Federhalter aus den Fingern gerissen, wenn ich sie nicht mit den Kinleys angeschwindelt hätte. Und es muß ihr doch, weiß Gott, etwas daran liegen, nicht mutterseelenallein und schutzlos auf diesem verfluchten Kasten zurückzubleiben. Ja, so was nennt man eben Charakter!«
    »Könnte man das nicht vielleicht auch Liebe nennen?« fragte ich und hustete mir in die Hand.
    Aber da wurde er tückisch, und wenn es mir nicht im letzten Moment gelungen wäre, an ihm vorbeizuschießen, dann hätte er mich zum erstenmal in vollem Ernst mit dem Absatz ins Kreuz getreten.

20

    Ich erwarte nun eigentlich, daß die >Esperanza< nach Hogendahls Absage Dampf aufnehmen und die Anker lichten würde. Aber wir blieben liegen und dümpelten auf der kaum bewegten See siebzig Faden über dem Gold, für das Don Saraiva seine Seele hingegeben hätte. Und wenn die Jungens in der Back es schon immer nicht leicht gehabt hatten, mit den religiösen Anfällen vom Heizer Jantzen fertig zu werden, so ging es in diesen Tagen im Logis zu wie in der Seemannsmission. Ob sie schafften oder pennten, der Jantzen predigte wie ein Pastor, daß der Fürst des Bösen Gestalt angenommen habe und uns alle ins Verderben führen würde, und es endete gewöhnlich damit, daß sie ihn rausschmissen, um Ruhe zu haben.
    Als ich nach der Hundewache vom Logis über den Steuerbordgang nach achtern zu den Werkstätten ging, kam Don Saraiva aus seiner Bibliothek heraus. Die Sonne sank gerade unter den Horizont, und es konnte nur noch Minuten dauern, bis in diesen Breiten die Nacht hereinbrach. Etwas in seiner Haltung und in seinem Gesichtsausdruck veranlaßte mich, mich in einen Winkel zu verdrücken, um ihn zu beobachten. Was mir an ihm besonders auffiel, war, daß er, der sich sonst drei- oder viermal am Tage umzog, noch immer den gleichen Anzug trug, in dem er den Messingbuchstaben von der >Kentucky< blank gerieben hatte. Nur daß der Schlamm an seinen Knien und Ärmeln inzwischen eingetrocknet und grau geworden war.
    Wie er sich so umsah, ob er auch nicht belauscht würde, da blieb mir wahrhaftig für einen Augenblick das Herz stehen. Denn sein Gesicht hatte jeden normalen Ausdruck verloren. Und als er dann geduckt zur Reling schlich und in die von der sinkenden Sonne kupfrig verfärbte See hinunterstierte, da wußte ich, daß er wirklich wahnsinnig war und daß ihm die Millionen in der Tiefe den Verstand verwirrt hatten. Ihn beherrschten nur noch ein Gedanke und ein Ziel: das amerikanische Gold auf dem Meeresgrund. Diesen Schatz zu heben war ihm jeden Preis wert, und man konnte es ihm vom Gesicht ablesen, daß er entschlossen war, jeden Widerstand aus dem Wege zu räumen, der sich ihm entgegenstellte.
    Ganz gewiß hatte er auch nicht einen Augenblick damit gerechnet, daß Hogendahl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher