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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
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nur kommen, Pitt. Wenn du erst Polizist bist, dann paßt du auf, wenn die Spöckersche in der Mittagszeit Betten lüften oder Teppiche klopfen läßt, und dann brummst du ihr Ordnungsstrafen auf, daß es nur so rauscht.«
    Das war immerhin ein mütterlicher Trost.
    Wie ich nun damals aus der Dorotheenstraße zurückkam, stand in unserem Laden ein Mann und verhandelte mit meinen Eltern. Ich habe wohl noch nicht erwähnt, daß das schmalbrüstige, aber ziemlich tiefe Haus in der Brückenstraße, wo Vater seinen Grünkram verhökerte, uns gehörte und daß in dem Hause zwei Wohnungen waren. Unten lebten wir und oben ein altes Kapitänsehepaar namens Jansen, das von der Rente lebte und eine so stille Partei war, daß meine Mutter schon dreimal in Verlauf der acht Jahre, wo die alten Leutchen bei uns wohnten, ihre Eingangstür hat aufbrechen lassen, weil sich in der Wohnung manchmal tagelang nichts rührte, so daß man schon meinen konnte, den beiden Alten sei etwas zugestoßen.
    Sie waren nämlich stocktaub und unterhielten sich deshalb mit Zetteln. Manchmal fischte Mutter ein paar davon aus der Mülltonne und las dem Vater abends nach Tisch vor, worüber sich die Jansens so unterhielten. Die beiden Alten waren nämlich, wenn man so sagen darf, recht gesprächige Leute, und besonders er hatte einen guten Witz am Leibe.
    Wir hatten unten den Laden und außer der Küche drei Zimmer. Das eine davon war mit roten Plüschmöbeln und allerhand Mahagoni eingerichtet — alles Erbstücke von Mutters Großtante Emma, die mit einem Gerichtsvollzieher verheiratet gewesen war. Benutzt haben wir es nur ein einziges Mal, kurz bevor ich eingesegnet wurde. Da besuchte uns Pfarrer Wendland, aber der ist auch, soviel ich weiß, der einzige Mensch gewesen, der im roten Zimmer jemals einen Stuhl angeboten bekommen hat. Und weil nun unser Geschäft in der letzten Zeit, wo so viele Leute draußen vor der Stadt Schrebergärten hatten, gerade das Notwendigste und manchmal nicht einmal das einbrachte, war Mutter im vergangenen Herbst auf den Gedanken gekommen, das rote Zimmer zu vermieten. Seitdem hing neben der Ladentür ein schon ganz verwaschenes Schild: >Bequemes Zimmer an soliden Herrn abzugeben.< >Soliden< hatte Vater dreimal unterstrichen, und Damen mochte meine Mutter nicht in Untermiete nehmen, weil sie sagte, sie wüschen ihre Strümpfe und das Unterzeug immer in der Waschschüssel — und sie hatte auch sonst noch einige Bedenken gegen Damen.
    Also, wie ich nun damals in den Laden kam, hörte ich sofort, daß der Mann mit den Eltern wegen des ausgeschriebenen Zimmers verhandelte, und mein Vater sagte gerade: »... dann zeig es doch dem Herrn, Marie.«
    Herrn? dachte ich und kniff ein Auge zu. Denn wie ein Herr sah der Fremde wirklich nicht aus, höchstens im Gesicht und an den Händen. Seinem Anzug nach konnte man ihn für drei Jahre arbeitslos halten. Und außerdem rauchte er selbstgedrehte Zigaretten.
    Mutter ging voran, der Fremde folgte ihr, und ich schlich hinterdrein. Man mußte sich bei uns durch einen finsteren, ziemlich engen Flur winden, wo meine Mutter Licht machte, nachdem der Fremde mit der Stirn gegen den Garderobenständer gerannt war, was er mit einem Knurren quittierte. Zuerst kam man am Schlafzimmer meiner Eltern vorbei, dann an der sogenannten Wohnstube, wo ich schlief, und ganz hinten am Ende des Korridors lag schließlich das rote Zimmer. In den Flur konnte man übrigens vom Laden und vom Treppenhaus her eintreten. Meine Mutter öffnete die Tür zum roten Zimmer, und sogleich wurde es etwas lichter im Flur. Der Fremde starrte eine Weile stumm auf die rote Pracht. Dann fragte er, was das Zimmer kosten solle.
    »Fünfundzwanzig Mark«, antwortete Mutter schüchtern, obwohl sie eigentlich an dreißig gedacht hatte, als sie sich im Herbst dazu entschloß, es auszuschreiben. Der Fremde schien über diesen billigen Preis überrascht zu sein, denn er fragte gleich hinterher: »Eh, das Haus ist doch wanzenfrei, wie?«
    »Wo denken Sie hin!« rief meine Mutter beleidigt, und ich dachte: Siehst du, das hast du von deinen billigen Preisen, da denken die Leute gleich, da muß doch ein Wurm drin sein. Vierzig verlangen und nachher auf dreißig runtergehen, das ist die richtige Masche.
    Der Fremde griff in die Hosentasche, holte eine Handvoll Geld heraus — viel Trompetengold, wie man so sagte, denn die Zehner bestanden aus Messing und wenig Silber — , drückte meiner Mutter ein Fünfmarkstück in die Hand und sagte: »Also
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