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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
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Küche, da hatte er die Tür bereits selber gefunden. Und ich dachte mir: Na, wenn er darauf ausgeht, dann ist er auch nicht mehr als ein Mensch. Dieser Gedanke beruhigte mich so sehr, daß ich sofort einschlief und schon hinüber war, ehe noch der C. B wieder in sein Zimmer zurückkehrte.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, hantierte die Mutter schon in der Küche, und Vater wusch sich am Ausguß. Er prustete dabei immer und plätscherte mit den Händen so laut im Wasser herum, daß es sich anhörte, als stände er bis über den Hals darin und wäre nahe am Ertrinken.
    Nebenan im roten Zimmer rührte sich noch nichts, und es dauerte nicht lange, bis ich wußte, daß unser C. B. erst in der Dämmerstunde am Nachmittag so richtig munter wurde und den Tag als notwendiges Übel totschlug. Kein Wunder, denn vor drei oder manchmal sogar vier Uhr morgens ging er nie zu Bett. Ich zog mich also rasch an und kam in der Küche gerade zur Morgensuppe zurecht; eigentlich war es immer ein Brei aus Haferflocken oder gebrannter Gerste. Mein Vater lobte mich, daß ich nach dem langen Aufbleiben gestern abend schon so früh auf den Beinen sei, und meinte, das wäre genau das Richtige für einen jungen Menschen, der es einmal im Leben zu etwas bringen wolle. Und ich dachte bei mir, was er wohl dazu sagen würde, wenn er wüßte, daß ich mir mehr als die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hatte. Ich hielt aber dicht, denn Vater hätte mich glatt in die Küche umquartiert, wenn er erfahren hätte, was für eine Nachteule unser C. B. war und wie er mich wach gehalten hatte.
    Eins steht fest: Unser möblierter Herr hatte mich mächtig neugierig gemacht. Wenn ich ihn auch nicht leiden mochte, so war mir sein Tun und Treiben doch sehr interessant geworden. Bis dahin war bei uns alles so ruhig und gleichförmig zugegangen im Leben meiner Eltern, zu denen ich — wie man so sagt — als Nachschrapsel gekommen war, nachdem meine beiden Schwestern schon längst aus dem Hause und verheiratet waren. Jeden Tag dasselbe: aufstehen, dreimal täglich essen, arbeiten und schlafen, und das alles pünktlich nach der Uhr. Ich glaubte schon, es wäre überall so und das sei nun mal das Leben. Und plötzlich war da ein neues Gesicht auf ge taucht, ein fremder Mensch in meine Nähe gekommen, mit anderen Gewohnheiten und mit Gedanken, von denen ich vorläufig nur ahnte, daß sie ganz anders waren als meine eigenen.
    Ich konnte kaum erwarten, daß die Geschäfte aufmachten, so sehr brannte ich darauf, die Meldezettel zu holen und wenn auch nicht viel, so doch wenigstens ein paar Angaben über unsern Mieter zu erfahren: Beruf, Herkunft, Geburtsangaben, eben das, was man auf diesen Formularen ausfüllen muß. Endlich war es dann soweit. Ich rannte drei Häuser weiter in das Papiergeschäft von Frau Thieß, wo es die Zettel gab. Das Stück kostete einen Pfennig, und ich nahm gleich zwei mit, um den Weg nicht noch einmal machen zu müssen, falls der C. B. sich verschrieb oder falls irgend etwas anderes mit dem ersten Fomular passierte.
    »Du kannst ihm den Zettel hineinbringen, wenn er auf gestanden ist«, sagte Mutter, »und bei dieser Gelegenheit kannst du ihn auch gleich fragen, wie er es mit dem Frühstück halten will und was er lieber mag, Kaffee oder Kakao. Denn in feinen Häusern wie bei Senator Rasmussen trinken sie morgens manchmal auch Kakao, aber in solchen Kreisen sagt man >Schokolade< dazu. Also frag: Kaffee oder Schokolade. Und dann klopf vorher an, Pitt, und stürz nicht einfach ins Zimmer. Benimm dich!«
    Zwei volle Stunden wartete ich auf dem Flur, daß sich im roten Zimmer etwas rühre. Zwei volle Stunden mit dem grünen Meldezettel in der Hand und mit dem Ohr meist an der Tür, bis ich ihn dann endlich gähnen hörte. Und gleich darauf sagte er ganz vergnügt: »Ah, guten Morgen, Herr C. B. Johnen! Na, verehrter Herr Johnen, wie haben Sie geschlafen?« Und gleich darauf mit verstellter Stimme: »Oh, danke für die gütige Nachfrage, ausgezeichnet!«
    Na so was!
    Ich mußte mir direkt die Hand vor den Mund halten, um nicht laut herauszuplatzen. Denn irgendwie fand ich die Sache spaßig, und später erwischte ich mich morgens oft genug dabei, daß ich mich wie der C. B. begrüßte: »Mojn, Herr Tümmler, gut geschlafen? — O ja, danke für die gütige Nachfrage, ausgezeichnet!«
    Und ich konnte ihn auch verstehen, denn was sollte er schon tun, wenn er ewig niemand anders zur Unterhaltung hatte als sich selbst. Nun, ich ließ noch eine
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