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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
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versteinert da und sah so furchtbar erschrocken aus, als würde sie von einem Irren überfallen.
    »Ich muß doch sehr bitten, Herr Johnen«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Dies hier ist ein ruhiges und anständiges Haus — und wenn die Kapitäns oben nicht so stocktaub wären, wie sie es sind, dann könnten sie ja direkt glauben, hier unten gäbe es Mord und Totschlag!«
    »Ja, ja, ja!« unterbrach er sie. »Ich weiß ja alles, was Sie sagen wollen, aber ich bin mit meinen Nerven einfach fertig, wenn ich so gereizt werde!« Und dann fügte er noch hinzu, er sei ein sauberer Mensch, und er werde das Zimmer in tadelloser Ordnung halten, und er hätte es nur unter der Bedingung gemietet, in Frieden gelassen zu werden.
    »Aber einmal im Monat muß ich rein!« sagte Mutter mit einer Entschiedenheit, an der es nichts zu drehen und zu deuteln gab, und damit schien der C. B. auch einverstanden zu sein, denn er blieb stumm. Mir aber war klar, daß er nur deshalb nichts mehr sagte, weil er Mutter endlich loswerden wollte.
    »Und wie ist es nun mit dem Frühstück?«
    »Das verdammte Frühstück!« hörten wir ihn stöhnen, »also stellen Sie mir, in drei Teufels Namen, jeden Morgen einen halben Liter Milch und ein paar Semmeln vor die Tür.«
    »Gut, Herr Johnen, darüber sind wir uns also auch einig. Und jetzt sage ich Ihnen noch eins: Die Polizei ist in unserem Viertel sehr streng, und auch mein Mann nimmt es mit den Vorschriften genau. Ich muß Sie also bitten, den Meldezettel noch heute auszufüllen. Noch heute!«
    Und damit war die Unterhaltung zwischen den beiden für lange Zeit auch zu Ende. Ich aber beschloß, auf den C. B. ein sehr wachsames Auge zu haben, denn ich war mir gar nicht sicher, ob wir da nicht einen Verbrecher ins Haus genommen hatten, der womöglich schon auf allen Fahndungslisten stand.
    Als Mutter in den Laden kam und dem Vater erzählte, was sie soeben erlebt hatte, sagte Vater nur, der Kerl hätte einen schweren Stich weg, aber ihm solle das nur recht sein. Wenn der Mann pünktlich zahle, wäre das die beste Sorte von Mieter, die man sich nur wünschen könne, und fünfundzwanzig Mark im Monat wäre das am leichtesten verdiente Geld, das jemals in unserer Kasse geklingelt hätte. Ich möchte meinen, daß mein Vater den C. B. um seinen Dreck heimlich beneidete, denn meine Mutter nahm es mit der Sauberkeit auch meiner Meinung nach wahrhaftig für menschliche Begriffe allzu genau. Manchmal kam man sich daheim direkt vor wie im Krankenhaus, besonders wenn Mutter das Linoleum im Flur und im Laden mit Bohnerwachs gewienert hatte.

4

    Über Nacht hatte das Wetter umgeschlagen. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne schien, und Vater stellte sich vor den Laden auf die Straße, um sich den Rücken wärmen zu lassen, denn im Winter plagte ihn immer das Rheuma. Ich trieb mich im Laden und vor dem Haus herum und besorgte die Botengänge so rasch wie nie zuvor, denn ich wollte es auf keinen Fall versäumen, den C. B. zu beobachten, wenn er das Haus verließ.
    Irgendwann mußte er ja ein paar Einkäufe machen, denn von einem halben Liter Milch und drei Semmeln konnte er schließlich nicht den ganzen Tag leben. Aber nichts davon, er rührte sich nicht aus dem Hause. Und als ich nachmittags so gegen drei Uhr durch den Flur zu seinem Zimmer schlich, da hingen doch wahrhaftig, mit einer Reißzwecke an der Tür festgepickt, ein frankierter Brief und ein Zettel, auf dem zu lesen stand: >Bitte den Brief in den nächsten Postkasten werfen!< Gerichtet war er ans Einwohnermeldeamt. Na, damit hatte der C. B. meiner Neugier einen schönen Streich gespielt...
    Es war ein großer gelber Umschlag aus dickem Papier. Wenn man ihn gegen das Licht hielt, konnte man nicht einmal erkennen, ob überhaupt etwas drin war.
    »Also fix, Pitt«, befahl Mutter, »nun lauf schon zum Briefkasten und schnüffel nicht so lange an dem Brief herum!«
    Ich ging los, aber mir brannte der gelbe Umschlag zwischen den Fingern. Der nächste Briefkasten hing hundert Schritte von unserem Haus entfernt an der Ecke Möllstraße. Und auf einmal — ich weiß selbst nicht mehr, wie das geschehen konnte, stand ich in einem dunklen Hausflur und hatte den Umschlag auch schon aufgeschlitzt. Und dann traf es mich, als hätte mir einer eins mit einem dicken Knüppel über den Schädel verpaßt: Der Meldezettel lag zwar drin im Kuvert — aber er war nicht ausgefüllt!
    Ich war von dieser Entdeckung wie betäubt und starrte das leere Papier an. Die
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