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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
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das nahm er aus Prinzip so ziemlich von allen Leuten an, die sich mit ihrem Kopf und nicht durch ihrer Hände Arbeit im Leben weiterbrachten.
    »Ist doch klar wie dicke Tinte«, sagte er, »die ewige geistige Anstrengung! Und besonders, wenn einer ewig mit Zahlen und so ’nem Zeug zu tun hat, da lockert sich eben im Dachgeschoß leicht ’ne Schraube.« Wahrscheinlich schloß er dabei von sich auf andere; denn wenn Ende Februar die Steuerformulare vom Finanzamt eintrafen, dann saß er stundenlang über seinen Büchern und schlich geduckt und bösartig in der Wohnung herum, daß man meinen konnte, er sei nicht ganz richtig im Kopf.
    »Und überhaupt mußt du ihm morgen einen Meldezettel zum Ausfüllen geben«, sagte er schließlich zu Mutter, denn er nahm es mit den polizeilichen Vorschriften sehr genau. Mutter, deren Gedächtnis nicht ihre stärkste Seite ist, trug mir auf, morgen daran zu denken.
    »Gut«, sagte ich, »da werden wir dann morgen auch genau wissen, wie alt er ist und wie er mit Vornamen heißt, unser C. B.« Und so fing es an, daß wir unsern möblierten Herrn fortan nur noch C. B. nannten. Unterdessen war es zehn Uhr geworden, und wir waren ganz erschrocken, daß die Zeit so unbemerkt vergangen war. Vater kommandierte: »Nun aber ab in die Kojen!« Und wir verließen die Küche. Im dunklen Flur sahen wir, daß im roten Zimmer noch Licht brannte, und wir hörten unsern Mieter rumoren und seine Kisten rücken.
    »Ach du lieber Gott!« seufzte Mutter auf, die mit ihrem Haushalt immer sehr penibel war, »er wird mir mit den schweren Stücken den ganzen Fußboden zerkratzen.«
    »Ach was«, knurrte Vater, »du immer mit deinen dämlichen Fußböden! Aber du wirst ihm morgen gleich die letzte Stromabrechnung vorlegen, damit er sieht, daß unser Verbrauch für Licht und Strom nie mehr als drei Mark sechzig ausmacht, und du wirst ihm sagen, daß er selbstverständlich zahlen muß, was jetzt mehr verbraucht wird; denn solche Büchermenschen wie er aasen ja mit dem Licht.« Schließlich gingen meine Eltern in ihr kleines Schlafzimmer, und ich schlüpfte in die Wohnstube, wo ich mich im Dunkeln auszog, wie ich es gewöhnt war, und in mein Bett kroch.
    Im Nebenzimmer war es still geworden, und ich meinte schon, der C. B. läge auch schon im Bett, als er plötzlich doch wieder zu rumoren begann und mich wach hielt, weil mir Geräusche im Haus zur Nachtzeit etwas ganz Ungewohntes waren. Ich hörte ihn durch die Verbindungstür zwischen unseren beiden Zimmern so laut und deutlich, als ob er sich neben meinem Bett zu schaffen machte. Er brummte und knurrte, rückte an den Stühlen, warf Bücher auf den Tisch, hustete und summte schließlich ein so blödsinniges Lied, wie es die Matrosen manchmal von großer Fahrt mit nach Hause bringen. Den Text konnte ich nicht verstehen.
    Aber dann wechselte er plötzlich auf etwas anderes über, und das hörte ich ganz deutlich. Nach der gleichen Melodie wie vorhin sang er nämlich seinen Namen, zwanzigmal oder noch öfter hintereinander: »C. B. Johnen, C. B. Johnen, C. B. Johnen...« Und das klang wahrhaftig geradeso, als ob er seinen Namen auswendig lernen wollte. Und dazwischen knurrte er manchmal einen kurzen Fluch oder kicherte leise vor sich hin. Es war richtig unheimlich anzuhören. Ja, der C. B. redete mit sich selbst. Mir war seine Stimme noch nicht recht vertraut, aber zuweilen verstand ich doch, was der sagte: »Gut gemacht, Mister C. B. Johnen!« Oder: »Jawoll, Herr Johnen!« Und dann kicherte er wieder in sich hinein. Das war doch wohl mehr als seltsam, und ich hätte wetten mögen, daß sich dieser Mensch unter einem falschen Namen bei uns eingeschlichen hatte...
    Ich weiß nicht, wie lange ich wach gelegen bin. In der Nacht schätzt man die Zeit ja meistens falsch ein, aber es müssen doch mehrere Stunden gewesen sein. Und dann hörte ich plötzlich, wie er die Tür seines Zimmers öffnete und auf den Flur hinaustappte. Ich muß gestehen, daß mir dabei heiß und himmelangst wurde und daß ich das Messer in seiner Hand schon an meiner Kehle spürte. Am liebsten hätte ich mir die Decke über die Ohren gezogen, aber ich konnte nicht, denn ich lag wie gelähmt da und wartete auf etwas Fürchterliches; bis mir auf einmal einfiel, daß das Herumtappen vom C. B. sehr natürliche Ursachen haben konnte. Und richtig, nachdem er die Küchentür geöffnet und mit einem Fluch wieder geschlossen hatte und ich ihm schon zurufen wollte, zum Klo ginge es links neben der
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