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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer
Autoren: Horst Biernath
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Hagel prasselten abwechselnd aufs Pflaster, und es stürmte so sehr, daß einigen Leuten die Schirme nach außen umschlugen. Mutter hatte in Erwartung des Mieters mit dem Abendbrot gewartet. Die Uhr ging bereits auf sieben, und gerade, als Vater schon Krach machte, daß er wegen des blödsinnigen Mieters die Hausordnung auch nicht um eine Minute umstoßen werde, da kam er an. Unsere Straße gehörte nicht gerade zu den renommiertesten der Stadt. Wenn es regnete, dann gab es Stellen, wo das Wasser knöcheltief stand, und sogar die Bürgersteige hatten Pfützen, über die man nur trocken hinüberkam, wenn man ein sehr guter Springer war. Aber unser C. B. Johnen stapfte mit hochgeschlagenem Mantelkragen und triefendem Hut durch Regen und Dreck mitten auf der Straße — und weshalb? Weil er einem Dienstmann einen zweirädrigen Karren schieben half. Ein richtig feiner Herr! Und auf dem Fuhrwerk standen zwei große Kisten, die sehr schwer zu sein schienen, denn Herr Johnen und der Dienstmann hatten vor Anstrengung rote Köpfe und schwitzten, daß ihnen der Schweiß von den Stirnen in die Augen lief. Der Dienstmann fluchte über die schwere Last in den unfeinsten Ausdrücken. Unser C. B. Johnen knurrte den Dienstmann an und sagte, so wären die Kerle immer, erst hätten sie das große Maul und dann schafften sie nichts. Und es wäre überhaupt eine Affenschande und eine Eingabe an die Berufsgenossenschaft wert, daß Trägerdienste hauptsächlich von Leuten besorgt würden, die so klapprig seien, daß man sich fast schämen müsse, ihnen ein Stück aufzuladen und nebenherzuspazieren!
    Ich muß gestehen, seine Art zu fluchen hatte etwas Herrenhaftes; man übersah dabei ganz, daß er von unten bis oben mit Dreck bespritzt war und feste in die Speichen griff, was doch nun wirklich nicht seine Sache gewesen wäre. Es war aber auch tatsächlich ein besonderer Schwächling von Dienstmann, den er da erwischt hatte. Deshalb sprang ich dazu, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, freiwillig für den C. B. Johnen auch nicht einen Finger krummzumachen. Zu dritt ging es dann auch besser voran. Aber ich glaube, daß unser Mieter gar nicht merkte, weshalb sich der Karren plötzlich leichter schieben ließ, denn er hatte für nichts ringsum Augen, sondern hing mit seinem Blick wie angenagelt an seinen Kisten, als ob da weiß Gott was für ein Schatz drin wäre. Die zwei Behälter waren aus gut zollstarkem Eichenholz gezimmert, mit Eisenbändern ringsum und schweren Handgriffen an den Schmalseiten und verriegelt durch große Vorhängeschlösser mit fingerdicken Bügeln. Hochkant zwischen den Kisten stand ein großes Zeichenbrett, an dem der Wind wie an einem Segel rüttelte, und außerdem lag noch ein kleinerer Koffer auf dem Karren, der schon sehr altersschwach und erbarmungswürdig mitgenommen aussah.
    Erst als es ans Abladen ging, wurde C. B. auf mich aufmerksam. Als ich eine der beiden Kisten anpackte, dachte ich wahrhaftig, er wolle mir ans Leder gehen, so wild fuhr er auf mich los. »Weg da, verdammter Bengel!« bellte er mich an. Ich mußte ihm erst erklären, daß ich der Sohn seiner Wirtsleute sei und daß er mich doch kennen müsse. Da sagte er denn: »Ach so!« und machte wieder ein friedliches Gesicht. Die Kisten waren furchtbar schwer, und wir hätten sie selbst zu dritt nicht ins Haus geschafft, wenn mein Vater nicht dazugekommen wäre. Aber auch da war noch jeder Behälter eine anständige Viermännerlast.
    »Ja verdammich, Herr«, ächzte Vater, »was, zum Teufel, haben Sie bloß in den verdammten Kisten drin? Die sind ja schwer wie Blei!« Aber C. B. tat, als hätte er nicht gehört, und anstatt die Kisten nacheinander in sein Zimmer schaffen zu lassen, mußten wir die erste gleich hinter der Haustür absetzen und sofort die zweite hereintragen. Ja, mir fiel auf, daß er die Kiste, die noch draußen im Regen stand, nicht für eine Sekunde aus den Augen ließ, grad, als könnte jemand das zentnerschwere Ding in die Tasche stecken und damit verschwinden. Der Mann schien wirklich ein paar lockere Schrauben zu haben. Aber endlich waren die Kisten im Zimmer und der kleine Koffer und das Zeichenbrett dazu.
    »Und wenn der Kerl nun doch zu bauen und zu werkeln anfängt?« flüsterte meine Mutter dem Vater ängstlich zu, weil das Gewicht der Kisten sie mißtrauisch gemacht hatte. Vater schüttelte nur den Kopf und meinte, auch Bücher können ein ganz unverschämtes Gewicht haben, und was schwer sei, brauche nicht immer Kupfer
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