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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz
Autoren: Brigitte Melzer
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und unter dem Bus hatte hervorkriechen müssen, was mir Akashiel für den Rest unseres unendlichen Lebens unter die Nase gerieben hätte, klopfte ich mir den Staub von den Klamotten und sah mich um.
    Der Junge war zwischen den Müllcontainern gelandet und setzte sich jetzt langsam auf. Mit einem Zischen öffnete sich die Fahrertür des Busses. »Sind Sie in Ordnung?«, rief der Fahrer. »Heilige Scheiße, ich hätte Sie um ein Haar überfahren!«
    Während er aus dem Bus sprang und zu dem Jungen eilte, der sich verwirrt umsah, steckte ich die Hände in die Hosentaschen, wandte mich ab und marschierte davon. Für heute hatte ich die Schnauze gestrichen voll. Ich wollte nur noch nach Hause und mir das Blut abwaschen, das unangenehm auf meiner Haut zu spannen begann.
    Ich war noch keine zehn Schritte weit gekommen, als sich Akashiel neben mir materialisierte, mich bei der Schulter packte und mich zwang stehen zu bleiben.
    »So geht das nicht!«, fuhr er mich an.
    »Danke der Nachfrage«, sagte ich bissig. »Mir geht es gut.«
    »Natürlich geht es dir gut. Du bist unsterblich!« Er seufzte. »Verflucht, Kyriel, du weißt genau, dass wir so nicht arbeiten!«
    »Glaubst du, ich arbeite so? Mich hat gerade ein Bus plattgemacht! Falls dir das in den letzten Monaten entgangen sein sollte: Das ist nicht meine übliche Vorgehensweise.«
    »Du weißt genau, was ich meine.«
    Das wusste ich natürlich. Der Bus mochte mein Gesicht vorübergehend in Brei verwandelt haben – ich glaubte noch immer zu spüren, wie sich Muskeln, Sehnen und Fleisch zurechtschoben –, mein Verstand war jedoch die ganze Zeit über intakt gewesen. Ich blickte zurück zu der Stelle, an der der Busfahrer dem Jungen, der sich einen Arm an den Körper presste, auf die Beine half. »Wenn in meinem Auftrag gestanden hätte, dass er sich im Café unter uns aufhalten und erst kurz vor dem Unfall auf der Straße erscheinen würde, hätte ich ihn bereits im Haus aufsuchen und dort auf ihn einwirken können. Dank des schlampig verfassten Auftrags war das aber nicht der Fall. Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen in der kurzen Zeit, die mir blieb?«
    »Du weißt genau, dass niemand etwas von unserem Eingreifen bemerken soll!«
    Das war keine Antwort auf meine Frage, und ich wusste, dass ich die auch nicht bekommen würde, denn Akashiel wäre an meiner Stelle ebenfalls keine andere Wahl geblieben. »Es ist fünf Uhr morgens«, gab ich ungerührt zurück. »Die Straße ist verlassen. Es gibt keine Zeugen.«
    »Bis auf den Busfahrer, zwei Fahrgäste und den Jungen«, ergänzte Akashiel.
    »Und alle sind ziemlich heftig erschrocken. Keiner von denen hat auch nur ansatzweise bemerkt, dass der Junge nicht einfach rechtzeitig von der Straße gesprungen ist. Ich wette, nicht einmal der Junge hat eine Ahnung, dass er einen Stoß bekommen hat. Vermutlich kommt er zu dem Schluss, dass er rein instinktiv reagiert hat.«
    »Ein Instinkt, der ihn geradewegs zwischen die Müllcontainer geschleudert hat?« Akashiel schüttelte den Kopf. »Er hat sich dabei den Arm gebrochen!«
    »Soll ich zurückgehen und ihn heilen?«, fragte ich, wohl wissend, ihn damit nur noch wütender zu machen.
    »Untersteh dich! Du hast heute schon genug Mist gebaut!«
    »Immerhin ist er noch am Leben. Übrigens dank meines Eingreifens.«
    Akashiel seufzte. »Du hättest einen anderen Weg finden müssen. Einen unauffälligeren. Verflucht, was hättest du getan, wenn das Ganze am helllichten Tag passiert wäre? Auf voller Straße, mit unzähligen Zeugen, die einen Jungen durch die Luft fliegen sehen?«
    Ich zuckte die Schultern. Er sah nun wirklich Probleme, wo keine waren. »Dann hätte ich eben ihre Erinnerungen geändert.«
    Die Ader an Akashiels Schläfe pochte bedrohlich. Ich wappnete mich gegen seinen Wutausbruch, doch statt mich anzuschreien, atmete er einmal tief durch, dann sagte er: »So setzen wir unsere Kräfte einfach nicht ein. Es ist gegen die Regeln!«
    »Ich dachte, gegen die Regeln wäre es, sich den Menschen in Engelsgestalt zu zeigen oder sich mit ihnen einzulassen«, stichelte ich weiter in dem Bemühen, ihn zur Weißglut zu treiben. Jeder Satz brachte mich meinem Ziel, diesen Job endlich loszuwerden, ein Stück näher. »Von dem, was du da sagst, habe ich noch nie etwas gehört.« In Wahrheit hatte ich natürlich davon gehört, es war mir nur schlicht und ergreifend egal. Ganz zu schweigen davon, dass es unterhaltsam war, Akashiel um Fassung ringen und um seine
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