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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition)
Autoren: Ralf Mickholz
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Straße fuhr, um dann mit besonderem Schwung – haarscharf an der Hausecke vorbei – abzubiegen.
    Madame Pauline – wer auch immer das sein mochte – hatte also die Schlüssel zum Pfarrhaus. Herzlichen Dank für Ihre Hilfe! Wohin dieser Mensch wohl so eilig mußte, daß er sich nicht einmal die Zeit nehmen konnte anzuhalten? Statt dessen warf er ihm diesen Namen im Vorbeifahren zu, wie einem Hund seinen Knochen. Mit einem Herzlich Willkommen! hatte er ja gar nicht erst gerechnet, von daher war er auch nicht sonderlich enttäuscht, daß ihn niemand abgeholt hatte. Dieser dicke, schwarze Hund war also schon das ganze Empfangskomitee? Aber immerhin! Ein Anfang! Er hatte ohnehin das Schlimmste befürchtet, weil ihm der Bischof seine neue Gemeinde wie einen Ladenhüter aufs Auge gedrückt hatte.
    Etwas ratlos trat er zurück auf die Straße und sah sich um. Madame Pauline? Ein zufälliger Blick nach links, und da sprang ihm das Schild auf der anderen Straßenseite ins Auge:
    M ADAME P AULINES Z IMMERVERMIETUNG
    Naja, dieses Rätsel haben wir schon mal gelöst.
    Noch bevor er einen Schritt machen konnte, wurde die Haustür aufgerissen, und eine kleine, kugelige Person mit weißer Küchenschürze und Kochlöffel in der Hand kam aus der Tür gestürzt. »Gütiger Himmel, Abbé du Lac! Wir haben Sie erst morgen erwartet. Das ist mir aber fürchterlich unangenehm. Oh je! Oh je!« Mit schnellen, kleinen Schritten kam sie auf ihn zugetippelt. Ihre Massen schaukelten hin und her und konnten von ihrer festgeschnürten Schürze nur mit Mühe im Zaum gehalten werden.
    »Abbé du Lac, bitte entschuldigen Sie! Ich habe gerade gehört, wie Monsieur Alphonse in seiner ungehobelten Art wieder irgend etwas über die Straße geschrien hat. Unmöglich! Ich weiß. Und da habe ich Sie da stehen sehen.«
    »Kennen Sie diesen Mann mit dem Schnauzbart, der gerade so halsbrecherisch um die Ecke gefahren ist?«
    »Oh, ja! Er wohnt schon seit einigen Jahren bei mir in derPension. Eigentlich ein umgänglicher Mensch, wenn man ihm seine kleinen Macken verzeiht.« Sie wollte sich gerade ihre zerzausten Haare richten, die sie in einem Knoten trug, als sie bemerkte, daß sie in ihrer Aufregung immer noch den Kochlöffel in der Hand hielt.
    »Ich hole schnell den Schlüssel für das Pfarrhaus!«
    »Lassen Sie sich ruhig Zeit«, versuchte Pierre sie noch zu beruhigen, aber sie tippelte schon genauso schnell, wie sie gekommen war, zurück in ihre Pension.
    Sie standen vor der großen Eichentür, die das Pfarrhaus verschloß, und Madame Pauline steckte den überdimensionalen Eisenschlüssel in das kunstvoll geschmiedete Schloß.
    »Das hat alles noch unser seliger Herr Pfarrer herrichten lassen«, sagte sie ein wenig ehrfurchtsvoll, während sie den Schlüssel dreimal kräftig nach links drehte.
    Da Pierre dieser kleinen Person, die ihm nur bis zur Brust reichte, und deren pausbäckige Wangen vor Aufregung immer noch glühten, ein wenig behilflich sein wollte, versuchte er ihr die Tür zu öffnen. Aber das hölzerne Ding bewegte sich keinen Zentimeter.
    Rums! Madame Pauline war, ehe er sich versah, mit ihrer massigen Schulter kurz aber kräftig gegen die Tür gehüpft. Erst nach dieser Anwendung von Gewalt ließ sie sich öffnen, ohne weiteren Widerstand zu leisten.
    »Diese vermaledeite Tür ärgert mich schon seit Jahren. Pfarrer Saunière, Gott hab ihn selig, hat es nie für nötig gehalten, das Ding reparieren zu lassen. Ihn hat es nicht weiter gestört, denn er war genauso groß und kräftig wie Sie.«
    Pierre fühlte sich geschmeichelt.
    »Und der neue Pfarrer ist nicht so lange geblieben, um sich mit solchen Nebensächlichkeiten zu befassen.« Sie sah ihn an und zog vielsagend ihre fein gezupften Augenbrauen hoch. »Eines Morgens war er einfach weg. Nicht einmal seine Sachen hat er mitgenommen. Sehr seltsam ...«
    Sie betraten eine geräumige Diele, von der mehrere Türen abgingen. Eine aus schwerem, dunklen Holz gefertigte Treppe führte ins obere Stockwerk.
    »Der Aushilfspfarrer hat auch hier im Pfarrhaus gewohnt. SeineSachen stehen immer noch oben in der Schlafkammer. Wir wußten ja nicht, ob er noch einmal wiederkommt.«
    »Hat Pfarrer Saunière hier gelebt, oder etwa nebenan in der Villa?« fragte Pierre als er seinen Koffer abstellte.
    »Unser seliger Herr Pfarrer in der Villa? Also nein!« Madame Pauline war entrüstet. »Er hat fast dreißig Jahre das Pfarrhaus bewohnt.«
    Warum hat er sich dann diese Villa bauen lassen? Er zog es vor,
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