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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition)
Autoren: Ralf Mickholz
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mit einem ohrenbetäubenden Rums ins Schloß. Zuerst werde ich diese verdammte Tür reparieren lassen!
    Stille breitete sich aus.
    Mit einem tiefen Seufzer setzte er sich auf die erste Stufe der Treppe.
    Das wäre schon mal geschafft! Er ließ seinen Blick durch die Diele schweifen und schnüffelte in die Luft. Ein bißchen muffig roch es hier. Aber wenn das alles war? Eigentlich sollte er sich hier doch im Vorhof der Hölle befinden, in einem Haus, von dem das Böse ausgehen sollte. Dafür sieht es hier aber fürchterlich normal aus. Nach der hysterischen Szene, mit der der Bischof die Unterredung beendet hatte, war er sich nicht mehr so sicher, ob sein Vorgesetzter nur unter einer Überzuckerung seines Verstandes litt, oder ob an seiner Geschichte doch etwas Wahres dran war.
    Bis jetzt stimmte jedenfalls alles mit dem überein, was er ihm berichtet hatte. Das abgebrannte Haus, die Villa und der verschwundene Aushilfspfarrer. Seltsam nur, daß jener all seine Sachen hiergelassen hatte ...
    Er verharrte einen Moment in der Stille und lauschte, so als wollte er den Atem der Mauern erfühlen. Vielleicht kannten sie die Antworten ...
    Abbé du Lac! Nun reiß dich bloß zusammen! Du bist noch keine Stunde hier und schon kommst du auf seltsame Gedanken!
    Schwungvoll erhob er sich von der Treppenstufe und zog seine Soutane zurecht. Ich werde hier den Gottesdienst halten, die Beichte abnehmen, Kinder taufen und die Leute unter die Erde bringen. Noch etwas? Er überlegte und strich sich seine schwarzen Haare glatt. Ach ja! ›Rede mit den Leuten‹, hatte der Bischof noch gesagt. Also, Pierre du Lac, frisch ans Werk! Mit festem Griff öffnete er die Haustür und trat auf den Hof hinaus.
    Auf seiner Linken lag die Kirche, sein neuer Arbeitsplatz. Man konnte deutlich sehen, daß sie renoviert worden war. Er ging auf den kleinen, mit bunten Blumen bepflanzten Platz zu, der direkt vor dem Portal der Kirche lag. In einem kreisrunden Beet stand ein überdimensionales Steinkreuz auf einem gemauerten Sockel. Das müssen fast vier Meter Höhe sein. Er legte den Kopf in den Nacken. Auch die Christusfigur war ungewöhnlich groß und wirkte wegen ihrer ungeheuren Ausmaße bedrohlich. Es schien so, als sollte der Gekreuzigte dort oben – mit einem Blick über jedes Haus – den ganzen Ort vor etwas behüten.
    Als Pierre näher kam, durchzuckte es ihn, als er die Inschrift las.
    C HRISTUS BESCHÜTZE SEIN V OLK VOR DEM B ÖSEN
    Allmählich mußte er sich doch selbst eingestehen – wenn auch nur ungern –, daß er noch in keiner Gemeinde, auch wenn er die zahlreichen Aushilfstätigkeiten dazurechnete, so oft von der Anwesenheit des Bösen gehört hatte, wie hier. Und ausgerechnet jetzt bin ich der einzige Geistliche weit und breit. Ihm war das leibhaftige Böse zwar noch nicht persönlich begegnet, aber allein der Gedanke, es könnte wirklich existieren, und es hätte womöglich schon ein Auge auf ihn geworfen, bereitete ihm fröstelndes Unbehagen. Da ging es ihm, wie jedem anderen Menschen, seine Soutane war ihm da keine große Hilfe. Und doch hoffte er inständig, daß das Böse wenigstens ein wenig Respekt vor seinem Amt zeigen würde! Daran glaubte er aber wohl selbst nicht so recht und beschloß daher nicht länger darüber nachzudenken.
    Was ihn mindestens genauso drückte, war das Wissen, daß in diesem Augenblick die Augen seiner ganzen Familie auf ihm ruhten. Als Neffe des Bischofs von Limoges hatte er die gestellte Aufgabe mit Bravour zu lösen. Ein Versagen war nicht akzeptabel. Nicht akzeptabel? Eine Katastrophe!
    Bevor dieser Ort nicht wieder zu einer ganz normalen Gemeinde mit ganz normalen Pfarrkindern geworden war, brauchte er gar nicht erst um seine Versetzung zu bitten. Täte er dies, ehe erseine Aufgabe hier beendet hätte, würde man ihm diese Entscheidung als feige Flucht auslegen.
    ›Schade! Der arme Junge. Wir haben doch so gehofft, daß er mal ein guter Priester wird.‹ Jaja, es ist doch klar, welch ein Gerede folgen würde. Wenn er früher einmal durchblicken ließ, daß er überhaupt keine Lust hatte, Priester zu werden, hieß es nur: ›Wir wollen doch nur dein Bestes! Sei nicht so undankbar.‹ Ja, Ingenieur, das wäre etwas für ihn gewesen! Er wäre lieber Ingenieur geworden! In seiner Jugend hatte er alles über den Eifelturm gesammelt; Fotos, Konstruktionszeichnungen. Er war schon immer ein eher praktisch veranlagter Mensch, diese ständige Rederei, die sein Priesteramt mit sich brachte, lag ihm
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