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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition)
Autoren: Ralf Mickholz
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zotteliger, schwarzer Hund genau auf der Mitte der Straße. Das Tier hatte sich durch seine schnelle Kopfbewegung erschreckt und blieb stehen.
    Gütiger Himmel! Welch ein Riesenviech, schon fast ein Kalb! Wie soll ich denn an dem vorbeikommen, ohne daß die Bestie zudringlich wird? Schade, dabei hatte sein Tag so unkompliziert angefangen. Würde er jetzt voreilig um Hilfe rufen, dann wäre er morgen garantiert das Thema Nummer eins in der Schenke und machte sich zum Gespött der Leute.
    Noch während er nachdachte, kam dieses Riesentier langsam und behäbig zu ihm herübergetrottet. Es tippte ihn mit seiner sabbernden Schnauze an und beschnüffelte ihn eifrig, als Pierre aus irgendeiner Haustür eine energische Stimme vernahm.
    »Monsieur Billard ... kommst du wohl sofort her! Wo bist du nun schon wieder? Na, warte ...« Mit resolutem Schritt trat eine junge Frau auf die Straße. Sie war von oben bis unten mit bunter Farbe beschmiert. Ihre Hände, ihre Kleidung, alles war voll bunter Tupfen. »Monsieur Billard! Komm sofort her und laß unseren neuen Abbé in Ruhe!« Das Tier wandte sich in aller Gemächlichkeit ab und trottete langsam auf die Haustür zu.
    Noch ehe die junge Frau – sie mochte um die Dreißig gewesen sein – etwas sagen konnte, fragte Pierre erstaunt: »... Billard? ... Monsieur Billard? Sie nennen Ihren Hund ... nach unserem Bischof?«
    Unbeeindruckt zuckte die junge Frau lächelnd mit ihren Schultern. »Sehen Sie ihn sich an! Besonders seine schwabbeligen ...«, sie hielt inne. Jetzt erst schien ihr bewußt zu werden, in welch peinliche Lage sie sich durch ihren temperamentvollen Auftritt gebracht hatte. Und wie sie aussah! So als wäre sie nicht ganz bei Trost. Ein wenig schüchterner wischte sie sich ihre farbverschmierten Hände an der ehemals weißen Leinenhose ab. »Ich sollte wohl besser mal nach dem Hund sehen«, sagte sie verlegen. Kurz bevor sie wieder in ihrer Haustür verschwand, drehte sie sich noch einmal kurz um und rief: »Das Pfarrhaus liegt übrigens am Ende der Straße, direkt an der Kirche. Sie können es gar nicht verfehlen!«
    Es war Mittagszeit. Da an den meisten Häusern die Fenster und Türen offenstanden, hörte er das Geklapper von Töpfen und Geschirr. Aha! Deswegen ist niemand auf der Straße. Es beruhigte ihn aber irgendwie, daß hier niemand etwas zu verbergen hatte. Das lebhafte Gemurmel, das durch die offenen Fenster auf die Straße drang, vermittelte eine gemütliche, entspannte Geschäftigkeit.
    Als er um eine Ecke bog, jagte ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Er stellte seinen Koffer ab. Da ist es! Verkohlte Holzbalken lagen kreuz und quer übereinander. Außer den Grundmauern war von dem Haus nichts mehr übrig. Die leeren Fensterhöhlen glotzten ihn an, wie die schwarzen Augenlöcher eines Totenschädels. Das Haus des Totengräbers! Gott ist tot! Ich muß ihn begraben! Er erinnerte sich genau an diese seltsame Geschichte, die ihm der Bischof erzählt hatte. So eng wie die Häuser hier standen, hätte das mit dem Feuer übel ausgehen können. Nur gut, daß man diesen Wahnsinnigen rechtzeitig gestoppt hatte.
    Etwa hundert Meter weiter konnte er bereits das Kreuz der Kirchturmspitze sehen. Sein neues Heim. Etwas weiter die Straße hinunter fiel ihm auf der rechten Seite sofort eine stattliche Villa ins Auge. Die mannshohe Gartenmauer, die ihm bis jetzt den Blick genommen hatte, war zu Ende ... und da lag sie. Unmittelbar neben diesem auffälligen Gebäude lag seine Kirche. Ein wenig von der Straße abgelegen, hinter einem kleinen Vorplatz.
    Natürlich! Dieses hier muß das Prachtgebäude, diese Villa, sein, die sich Saunière von seinen Millionen gebaut hat. Sie war zwar nicht höher als die Kirche, wie der Bischof gejammert hatte, sie kam aber mit ihren Abmessungen der unmittelbar daneben liegenden Kirche gleich. Die Fensterläden waren verrammelt und die Haustür mit Brettern vernagelt.
    Er durchschritt den gemauerten Torbogen, der zwischen beiden Gebäuden errichtet worden war, und betrat einen großen Innenhof. Auf der anderen Seite dieses Hofes lag das Pfarrhaus, rechts und links von der Villa und der Kirche eingezwängt. Alle drei Gebäude waren irgendwie ineinander verzahnt.
    »Die Tür ist abgeschlossen!« rief von irgendwoher eine Männerstimme. »Fragen Sie bei Madame Pauline!«
    Pierre drehte sich um und sah gerade noch, wie ein Mann mitBaskenmütze und riesigem Schnauzbart auf seinem Fahrrad ausgesprochen unsicher und wackelig über die
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