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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition)
Autoren: Ralf Mickholz
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nicht gleich neugierig danach zu fragen.
    »Hier ist die Küche«, sagte sie und öffnete eine der Türen. »Pfarrer Saunière hatte ein Hausmädchen, das für ihn kochte, saubermachte und alle Arbeiten erledigte, die anfielen.«
    Es war eine große und helle Küche mit einem überdimensionalen Herd aus Gußeisen, so wie sie in herrschaftlichen Landsitzen zu stehen pflegten. Reich verziert, aber mit deutlichen Spuren, die die Zeit auf ihm hinterlassen hatte. An der Wand hingen mehrere Pfannen und Töpfe, teils aus Eisen, teils aus mittlerweile angelaufenem Kupfer.
    »Ich habe hier hin und wieder gelüftet. Der Aushilfspfarrer hat die Küche nie benutzt.« Mit ihrer kleinen Puppenhand wischte sie über den großen Eichentisch, der in der Mitte des Raumes stand. Plötzlich erstarrte sie. »Sehen Sie mal da!« Sie zeigte vorsichtig zur Fensterbank hinüber. Langsam fischte sie – ohne ihren Blick vom Fenster abzuwenden – mit der anderen Hand nach dem Besen, der an einen Stuhl gelehnt war. Jetzt erst bemerkte er den Grund für ihre Erregung. Zwei Mäuse huschten emsig auf dem Fensterbrett herum, ohne sich an den anwesenden Menschen zu stören.
    Das Haus ist bestimmt voll mit diesen Nagern! Na, dann guten Appetit!
    Madame Pauline machte zwei Hüpfer nach vorn und ließ ihren Besen auf die Mäuse niederknallen. Diese waren natürlich schon lange in einem sicheren Loch in der Wand verschwunden.
    »Mistviecher! Seit ich Dagobert zu mir genommen habe ...«, sie sah Pierre an, »die Katze unseres seligen Pfarrers, bewegen sich diese Dinger ungehemmt im ganzen Haus.« Sie zuckte mit den Schultern. »Warum die Katze ausgerechnet Dagobert heißen mußte, war mir nie ganz klar. Abbé Saunière hat nicht sonderlich viel über sich und die Dinge, die er tat, geredet.«
    Sie gingen zurück in die Diele.
    »Ich möchte Ihnen noch schnell die anderen Räume zeigen, bevor Sie auspacken.«
    Am Ende des großen Flurs lag das Arbeitszimmer, direkt neben der Küche. Als sie die Tür öffnete, konnte man den dunklen Schreibtisch sehen, der an einer Wand stand, eingerahmt von zahllosen Bücherregalen, die sich wegen ihrer Last bereits leicht nach unten durchgebogen hatten.
    »Sie können sich nachher in Ruhe umsehen, wenn’s recht ist?« Madame Pauline tippelte zur nächsten Tür und legte ihre Hand auf die Klinke. »Hier ist die Speisekammer.« Sie zögerte. »Vielleicht sollten wir mit der Besichtigung warten, bis wir die Mäuseplage einigermaßen im Griff haben. Wenn Sie mögen, kann Dagobert wieder bei Ihnen einziehen, dann erledigt sich das Problem in einigen Tagen von selbst. Ihrem Vorgänger, dem Aushilfspfarrer, war der Kater zu launisch und zu unheimlich. Sie müssen wissen«, flüsterte sie, »er hat nur noch ein Auge.«
    Unter der Treppe, die ins obere Stockwerk führte, befand sich eine weitere Tür.
    »Und die da?« wollte er wissen.
    »Der Keller. Aber unglücklicherweise ist der Schlüssel für die Tür abhanden gekommen.« Sie deutete auf den leeren Haken an der Wand.
    »Kann man nicht von außen durch ein Fenster ...«
    »Das ist ein solider Felsenkeller«, unterbrach sie ihn. »Einen weiteren Zugang gibt es nicht.«
    Er pochte leicht mit seiner Faust gegen die Holztür. Massiv.
    Madame Pauline stand schon wieder am Eingang. »Entschuldigen Sie, Abbé du Lac, aber ich muß mich wieder meinen Pensionsgästen widmen. Ich war gerade dabei, das Mittagessen vorzubereiten, als ich Sie auf der Straße gesehen habe.«
    »Kein Problem! Ich sehe mich noch ein wenig um und packe dann meine Sachen aus.«
    »Wenn es Ihnen recht ist, bringe ich Ihnen nachher das Mittagessen herüber. Solange es in der Pfarrküche so aussieht, sollten Sie sich von mir bekochen lassen. Als kleine Wiedergutmachung dafür, daß wir Sie so ungastlich empfangen haben«, fügte sie betroffen hinzu. »Mögen Sie Kohlsuppe?«
    Warum eigentlich nicht? Das erste deftige Essen auf dem Land.
    Da es sein erster Tag war, und weil er gerade an seine Haustiere in der Küche denken mußte, willigte er gerne ein. »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Madame Pauline.« Als er ihr die Hand gab, verschwanden ihre kleinen Finger irgendwo in seiner Faust.
    »Ach übrigens, fast hätte ich es vergessen«, sie wollte die Haustür schon von außen schließen, »oben liegt noch die Schlafkammer. Aber ich denke, Sie kommen für den Moment alleine zurecht. Monsieur Alphonse und die anderen warten auf ihr Essen.«
    Die schwere Eichentür fiel erst nach dem zweiten Versuch
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