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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition)
Autoren: Ralf Mickholz
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Rennes-le-Château!« erwidertePierre artig, obwohl es offensichtlich war, daß der Bischof diesem geliebten Naschwerk mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihm.
    »Ach ja!« Er stopfte sich noch schnell mehrere Plätzchen als Ganzes in den Mund, ehe er mampfend fortfuhr. »Dieser brave Aushilfspfarrer, den ich dorthin geschickt habe«, Seine Exzellenz sprach jetzt hemmungslos mit vollem Mund, »hat mich schon nach zwei Monaten händeringend um seine Ablösung gebeten.« Er unterbrach immer wieder für ein paar Kaubewegungen. »Als nun mein Antwortschreiben in Rennes eintraf, in dem ich ihm mitteilten ließ, daß die Kirche dort nicht auf seine Anwesenheit verzichten konnte ... da war dieser Kerl doch tatsächlich schon nicht mehr auffindbar! Unverschämtheit! Und dabei ...«, er fischte sich ein weiteres Schokoladenplätzchen aus dem Behältnis und stopfte es zu den anderen, »... und dabei habe ich ihm Mut zugesprochen und ihn der Hilfe des Allmächtigen versichert!« Entrüstet stellte er die Schüssel zurück auf den Tisch. »Ich habe einen gestandenen Mann von 45 Jahren dorthin geschickt, der felsenfest auf der Seite Gottes und der Heiligen Mutter Kirche stand. Irgend etwas ...«, er sprach auf einmal deutlich leiser, als er das andere Behältnis auf seinen Schoß holte und dessen Deckel öffnete, »... irgend etwas muß diesen schlichten Diener Gottes bis ins Mark hinein getroffen haben. Etwas, das stärker war, als das Gelübde, mit dem er versprochen hatte, seinem Bischof zu gehorchen ... und ihm keine Unannehmlichkeiten zu bereiten!« Die kandierte Frucht, die er aus der zweiten Schüssel herausfischte – eine Kirsche oder eine große Beere – verschwand blitzartig auf Nimmerwiedersehen zwischen seinen wulstigen Lippen. Er kaute und kaute ... und schwieg.
    Mühsam beugte er sich schließlich über seinen dicken Bauch nach vorn in Pierres Richtung, und seine Augen blickten starr über den Rand seiner kleinen goldenen Lesebrille. »Ich möchte ja zu gerne wissen«, geistesabwesend legte er das kandierte Früchtchen, das er schon in der Hand hatte, zurück, »warum dieser undankbare Mensch nicht einmal mein tröstendes Schreiben abgewartet hat? Ich weiß noch genau ...«, schwups, jetzt war die gezuckerte Frucht doch, ohne daß sich Seine dicke Exzellenz dagegen wehren konnte, zwischen seinen Zähnen verschwunden, »... also damals hat er – wie Sie – dort vor mir gesessen.«
    Auch ohne Kissen? Dieser verdammte Stuhl ist ja das reinste Folterinstrument!
    »Er hat mir versichert, seine Aufgabe, in tiefem Vertrauen auf unseren Allmächtigen, gewissenhaft zu erfüllen.« Mit schmatzenden Geräuschen begann er sich nun das klebrige Zuckerzeug aus den Zähnen zu ziehen. »Was mag diese ungehorsame Seele nur dazu bewogen haben, seine Berufung als Priester«, nachdenklich stocherte er gleichzeitig mit seinem dicken Zeigefinger im Mund herum, »mit Füßen zu treten und über Nacht das Weite zu suchen?«
    Die Kauerei und Stocherei mit dem Finger hatte ein abruptes Ende gefunden. Schweigend sah er zu dem großen Kreuz an der Wand hinüber.
    »Es muß ihn etwas verschreckt haben ... etwas das stärker war als sein Glaube. Etwas, das ihn zweifeln ließ an der Liebe Gottes ... und an der Liebe seines Bischofs.« Der Dicke seufzte herzzerreißend, während er mit einer Hand die Krümel auf seinem Gewand zusammenkehrte. »Vielleicht werden wir es nie erfahren.« Sichtlich unangenehm berührt von der unbefriedigenden Situation, rutschte er auf seinem protzigen, goldenen Thronsessel hin und her.
    »Vor ungefähr zwei Wochen, da hat doch so ein Wahnsinniger aus diesem Rennes sein eigenes Haus angezündet und ist anschließend tobend durch die Straßen gezogen!« Schwupp! Wie aus dem Nichts hatte er ein feines Taschentuch aus seinem Ärmel gezaubert und tupfte sich damit seine Lippen ab. »Dieser Kreatur soll schon der Schaum vor dem Mund gestanden haben!« Angewidert verzog der dicke Bischof sein Gesicht und wandte sich der dritten Schüssel zu, einem reichverzierten Behältnis mit einem großen Kreuz auf dem Deckel, das als Griff zum Abnehmen desselben diente. Seine Hand kreiste unschlüssig über der Öffnung der Dose, während er über den Rand hineinlugte. »Ah!« Gespannt fischte er schließlich eine Kugel heraus. »Hm!« Es hatte kurz in seinem Mund geknackt. »Kirschlikör!«
    Nur widerwillig erinnerte er sich wohl daran, daß er einen Gast hatte, der immer noch auf die Fortsetzung dieser unappetitlichen Geschichte
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