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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt
Autoren: Jack Ketchum
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1
    Ich glaube zwar nicht an Omen, aber ich glaube, dass man spüren kann, wenn Ärger im Anmarsch ist.
    Das ist wirklich so, auch wenn sichs wie blanker Blödsinn anhört.
    Ich war damit beschäftigt, zweieinhalb Meter lange Kanthölzer vom Stapel zu holen. Wir wollten gerade das nächste Bündel herunternehmen, als ich oben ein paar Bretter entdeckte, die noch ganz brauchbar waren. Ich kletterte hinauf, um sie einzusammeln, da riss das Stahlseil, das das Bündel zusammenhielt, auf dem ich stand. Es klang wie ein Peitschenschlag, und das Seil hätte mir fast den Kopf abgerissen. Ich verlor das Gleichgewicht und landete zusammen mit einer Menge schwerer Holzbalken drei Meter tiefer auf dem Asphalt.
    Ich bekam nicht einen Kratzer ab.
    Glück gehabt.
    Der Chef machte mir natürlich die Hölle heiß. Ich hätte da gar nicht raufklettern dürfen – obwohl es jeder machte –, sondern den Gabelstapler nehmen müssen. Sonst zahlte die Versicherung nicht. Ich hatte gegen die Vorschriften verstoßen.
    Das war der erste Vorfall: Ich wäre fast draufgegangen, weil ich mich nicht an die Vorschriften gehalten hatte.
    In derselben Woche war ich mit meinem Chevy-Pick-up auf der Küstenstraße unterwegs. Ich fuhr vielleicht hundert, als mich bergab ein großer schwarzer Tankwagen überholte. Ich ließ ihn vorbeiziehen. Bergauf kroch er nur noch im Schneckentempo dahin. Nachdem ich eine Zeit lang seine Dieselabgase geschluckt hatte, scherte ich aus, um zu überholen.
    Der Typ wollte Spielchen spielen.
    Er ließ mich nicht vorbei. Jedes Mal, wenn ich überholen wollte, fuhr er so weit an die Mittellinie heran, dass ich riskierte, gegen die Böschung gerammt zu werden. Sobald ich zurückzog, hielt er wieder brav die Spur. So ging es immer hin und her. Und die ganze Zeit über beobachtete er mich im Rückspiegel.
    Eine blöde Situation.
    Ich fluchte und wartete auf eine günstige Gelegenheit.
    Die kam, als es wieder bergab ging. Plötzlich fiel mir auf, dass wir beide über hundertzehn fuhren. Viel mehr konnte ich aus dem Pick-up nicht rausholen. Das Lenkrad fing ja schon bei hundert Stundenkilometern an zu zittern. Ich hielt den Atem an. Scheiß drauf, dachte ich, man ist schließlich nur einmal jung, und beschleunigte auf hundertdreißig.
    Der Pick-up wackelte, als würde er jeden Moment auseinanderfallen, und mir fielen die alten, abgefahrenen Reifen ein. Wir rasten Kopf an Kopf die Anhöhe hinunter.
    Ich überholte ihn, als es wieder aufwärtsging. Meine Hände zitterten, und ich schwitzte. Noch heute habe ich deutlich vor Augen, wie mich dieses Arschloch durch die Seitenscheibe angrinste. An sein Gesicht kann ich mich gar nicht richtig erinnern. Nur an dieses fiese Grinsen. Auf einem schmalen Highway kommt einem ein Tanklastzug riesig vor, besonders wenn man ihn mit über hundertdreißig Sachen und nur einem knappen halben Meter Abstand überholt.
    Das war der zweite Vorfall. Aus Dummheit und Wut war ich ein großes Risiko eingegangen. Schließlich hätte ich auch einfach abwarten können – es war ein warmer, sonniger Tag.
    Und dann trat ich in Hundescheiße.
    Es geschah auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, nur eine Ecke vom Harmon’s entfernt.
    Ich weiß, das ist keine große Sache. Bedeutungslos. Albern. Obwohl es ein ziemlich großer, frischer Haufen Hundescheiße war. Warum ich mich daran erinnere, und warum es für mich zu dieser Reihe der Vorfälle zählt? Ganz einfach.
    Ich hatte nicht auf den Weg geachtet.
    Eigentlich auch kein Drama – aber man muss bedenken, dass das überhaupt nicht meine Art ist. Ich starre beim Gehen immer auf den Boden. Immer. Darauf hat man mich schon des Öfteren aufmerksam gemacht. Meine Mutter sagte früher immer zu mir, dass ich davon kurzsichtig werden und einen Buckel bekommen würde. Das war natürlich Blödsinn. Ich bin überdurchschnittlich groß und habe Augen wie ein Luchs.
    Trotzdem, gottverdammt – ich hab nicht aufgepasst .
    Natürlich weiß ich, dass das alles nur Zufälle sind, die ich im Nachhinein irgendwie miteinander in Verbindung bringe.
    Manchmal betrachtet man eine Reihe scheinbar alltäglicher Ereignisse, und mit einem Mal hat man das Gefühl, sie seien alle durch einen geheimnisvollen Mechanismus verbunden. Dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen – diese Ereignisse sind gar nicht so zufällig, wie sie erscheinen. Der Mechanismus nimmt sie in sich auf, absorbiert sie und wird dabei größer und größer. Er ernährt sich von diesen Ereignissen. Zu welchem
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