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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt
Autoren: Jack Ketchum
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schniefte nicht nur Meth und rauchte Gras und Hasch, ich nahm auch Acid und Meskalin.
    Deshalb kann ich mich nicht genau erinnern , was mich dazu trieb, Jens Schwester anzurufen.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht nur vor der Nadel Angst, sondern auch um ihren Verstand und ihren Körper. Auf Speed isst man so gut wie gar nichts mehr – Essen spielt einfach keine Rolle –, und in den letzten Monaten war sie so sehr abgemagert, dass ihre Brüste schrumpften und sich die Haut über den Rippen und Hüftknochen spannte. Sie hatte jegliche Farbe verloren, ihre Augen waren vom Schlafmangel blutunterlaufen, ihre Erinnerung war bestenfalls löchrig. Sie stürzte so heftig und so oft ab, dass ich mir Sorgen machte, sie könnte einen Herzinfarkt bekommen.
    Ihre Familie wusste gar nichts davon. Sie rief ihre Eltern regelmäßig an, obwohl sie in den Semesterferien nicht mehr zu ihnen nach Hause fuhr. Trotzdem machten sie sich keine Sorgen. Sie vertrauten ihr.
    Wie gesagt – ich weiß nicht mehr, was dazu führte, oder ob es überhaupt einen Grund gab oder ob ich einfach allmählich geistig und seelisch zu erschöpft war.
    Ich rief ihre Schwester an und erzählte ihr alles.
    Sag es deinen Eltern, sagte ich. Sie sollen deine Schwester abholen.
    Ich glaube, sie stirbt.
    Dieser Anruf war nicht leicht, denn er beendete auch unsere Beziehung. Jen würde mir diesen Anruf niemals verzeihen. Wie auch? Ich hatte ihr größtes Geheimnis verraten, schonungslos ihre tiefste Wunde offengelegt. Ich stürzte nicht nur sie, sondern auch ihre Familie in eine Welt des Schmerzes.
    Da machte ich mir nichts vor. Teilweise tat ich das auch, um mich selbst zu schützen. Ich konnte ihr Leben retten, mein eigenes aber auch. An dieser Schuld habe ich noch immer schwer zu tragen. Und trotzdem – ich konnte den Kummer und die Sorge nicht mehr ertragen, jemanden zu lieben, der sich selbst nicht liebte.
    Ich konnte nur hoffen, dass sie mir irgendwann vergeben würde.
    Was sie auch tat. Aber zwischen uns war es trotzdem aus.

7. Der Todestrieb in ihr war tot …
    Die Therapie war langwierig und mühselig, aber sie bewirkte Wunder.
    Jen heiratete, bekam ein Kind. Ließ sich scheiden, heiratete wieder.
    Als ich das letzte Mal von ihr hörte, wirkte sie glücklich.
    Wir blieben seltsamerweise all die Jahre über in Verbindung. Ab und zu rief ich sie an. Nicht an ihrem Geburtstag oder an Feiertagen, sondern einfach so. Sie sagte mir immer, dass es richtig unheimlich sei, weil ich genau dann anrief, wenn sie depressiv oder schlecht gelaunt sei. Als könnte ich über weite Entfernungen spüren, dass sie mit mir und nur mit mir reden wollte, und dass sie unsere Gespräche trösteten.

8. … und ich würde ihn nicht vermissen.
    Der Kontakt brach vor Jahren ab. Ich weiß nicht, wo sie jetzt ist. Wir haben keine gemeinsamen Freunde, die ich fragen könnte.
    Jen, wo immer du auch bist – ich hoffe, es geht dir gut. Bitte, verzeih mir diese grobe Skizze von dir. Ich weiß, sie wird dir nicht gerecht.
    Ich vermisse weder, dass du mit deinem Leben gespielt hast, noch die Risiken, die wir eingingen. Aber man vermisst immer die, die man geliebt hat. Das ist so, ob sie nun tot sind oder lebendig, ob sie glücklich sind oder traurig. Das liegt in der menschlichen Natur und wird erst enden, wenn auch das Leben zu Ende geht.
    Und vielleicht, mit etwas Glück, lebt es auch darüber hinaus noch fort – in den Zeilen eines dünnen Buches.
    – Jack Ketchum , im Juni 2007

DANKSAGUNG
    Mein Dank geht an Al Weller, Lance und Ellen Crocker, Alan Morrison, Marjorie Shepatin, Phillip Caggiano, David und Julie Winn, Ellen Antoville und ganz besonders an Paula White.
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