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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt
Autoren: Jack Ketchum
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Sekunden, dann würden wir nichts anderes mehr tun können, als in blinder Panik davonzurennen, und vor diesem Ungeheuer gab es kein Entkommen. Vor der Frau vielleicht. Aber nicht vor dem Hund.
    Zu meiner Linken lag ein großer runder Stein. Einen langen Schritt von mir entfernt.
    Ich gab Casey die Mistgabel, beobachtete, wie die kurze Verwirrung auf ihrem Gesicht einem Ausdruck des Vertrauens wich. Mit schmerzverzerrter Miene klemmte sie den Axtgriff unter ihren verwundeten Arm. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie hob die Mistgabel, stemmte den Griff gegen die Schulter und richtete die Spitze wie eine Lanze auf den Hund. Ich wartete auf das Geräusch der Kiefer, das Kratzen der Zähne auf den Knochen. Ich erinnerte mich daran, wie ich im Dunkeln bis hundert gezählt hatte und wie schwer es gewesen war, über die Geräusche des eigenen Körpers hinweg irgendetwas anderes wahrzunehmen. Ihnen ging es nun ganz genauso, und das verschaffte mir einen Vorteil.
    Dann hörte ich, was ich hören wollte, und wagte den Schritt.
    Der Stein war schwer, feucht und glitschig an der Unterseite. Mein Bein schmerzte, als ich mich vorbeugte, um ihn aufzuheben. Das Gewicht fühlte sich gut an.
    Ich hatte Glück. Der Stein lag frei und machte beim Aufheben keinen Lärm. Das Tier fraß weiter, völlig abgelenkt vom Blutgeruch und den eigenen verzückten Fressgeräuschen. Die Frau flüsterte zärtliche Worte, streichelte den Hund, glättete das dicke, kurze, im Mondlicht glänzende Fell.
    Ich hatte geplant, mich über ihn zu beugen und ihm den Schädel einzuschlagen. Das war jedoch unmöglich. Ich konnte nur noch einen weiteren Schritt riskieren, danach würde ich auf lose Steine treten und mich verraten. Das Tier war eineinhalb Meter lang, und ich wusste ja nicht einmal, ob ich den Stein so weit werfen, geschweige denn seinen Kopf treffen konnte.
    Der Hund stand aufrecht da, hatte die Beine leicht gespreizt, Genick und Kopf gesenkt und den Rücken durchgebogen. Ich sah ihn an. Der Rücken war sein Schwachpunkt – nicht für die Mistgabel, aber für den schweren Stein.
    Ich wusste, was ich zu tun hatte.
    Ich zögerte nicht eine Sekunde.
    Ich war eine Million Jahre alt. Ein Höhlenmensch im Mondlicht.
    Ich hob den Stein. Er wog mindestens fünfzehn Kilo. Mit letzter Kraft drückte ich den Rücken durch, bog die Arme und ließ meinen Oberkörper samt Stein vorschnellen.
    Der Stein schoss herab.
    Es sah gut aus.
    Ob ich Marys Hand auch erwischt hatte?
    Ich hatte zu viel Gewicht auf mein verwundetes Bein gelegt, geriet ins Taumeln und fiel um.
    Ein Poltern ertönte, wie Fels auf Fels, und Verzweiflung überkam mich. Casey rief meinen Namen. Ich fing den Aufprall mit beiden Händen ab. Neben mir ertönte ein Brüllen. Ich spürte die Hitze des Hundekörpers fürchterlich nahe neben meinem Gesicht, roch den feuchten Atem.
    Ich rollte mich herum. Steine bohrten sich in meinen Rücken und meine Oberschenkel. Mit einem Mal starrte ich in das nur wenige Zentimeter entfernte aufgerissene Maul. Geifer spritzte auf mich, ein Knallen wie Pistolenschüsse – und darunter immer noch dieses alles durchdringende, scheußliche Gebrüll. Casey schrie, und der Hund riss den Kopf herum.
    Sie hatte zwei der Mistgabelzinken knapp über der Schulter in seinen Hals gebohrt. Casey war stark, und die Zinken steckten tief in seinem Fleisch.
    Sein Körper wirbelte herum.
    Der Stein hatte ihn ebenfalls gut getroffen. Er schleifte seine Hinterbeine hinter sich her. Sie waren so nutzlos wie Caseys Arm. Eine Woge des Triumphs überrollte mich. Wir hatten ihn verstümmelt und aufgespießt. Casey hielt die Gabel fest umklammert.
    Die Frau hatte sich aufgerappelt und kam auf die beiden zu.
    Ich stürzte mich auf sie, packte ihre Beine und brachte sie zu Fall. Ihre Haut war schuppig und trocken wie Leder. Die Frau rollte herum, kreischte, schlug mit den Händen auf mich ein. Ich sah ihr Gesicht, ihre dunklen, funkelnden Augen. Ein spitzes Hexengesicht, eine von Adern durchzogene Halloweenmaske. Schaum quoll aus ihrem zahnlosen Mund und lief über ihr Kinn. Ihr Atem stank nach Tod.
    Neben mir wälzte sich der Hund von einer Seite auf die andere. Casey stützte sich mit ihrem vollen Gewicht auf die Mistgabel, bohrte sie immer tiefer in das Tier hinein.
    Und beugte sich zu weit vor.
    Der Hund heulte auf, stemmte seine Vorderpfoten in den Boden und stieß sich ab. Seine Schultermuskeln zogen sich zusammen, seine Augen rollten wild. Ich wusste, was er vorhatte. Es war unmöglich,
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