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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)
Autoren: Dirk Stermann
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geschissen. So sieht das aus. Wusstet ihr, dass es Wildesel gibt, die mit dem Arsch atmen?«
    Borg sah hilflos aus. Er sah immer hilflos aus, aber jetzt war er es wirklich. Ich wischte ihm mit einer Serviette die Gulaschreste weg, so gut es ging. »Man sieht fast nichts«, sagte ich aufmunternd.
    »Ich weiß«, sagte er tief betroffen. »Ich hab ein Mikrobengemächt. Wie schmaler Zwirn. Ein trauriger Zwirn des Zorns, an dem ich hänge.«
    Schwerfällig hob Borg den Teller zum Mund und schlürfte den Rest des Gulaschs gierig auf. Links und rechts aus seinem Mund troff Sauce, doch diesmal half ich ihm nicht.
    »Alkohol ist keine Lösung, aber kein Alkohol ist auch keine Lösung«, skandierte Franz. »Hundertprozentig, ach, hochprozentig ist das so. Ich trink mir mich schön, dass ich überhaupt erst in den Spiegel sehen kann – understandable ?«
    »Was hast du eigentlich über den Maler geschrieben?«, fragte ich, um die peinliche Saufphilosophie zu beenden.
    Franz sah mich mit leerem Blick an und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Der nicht zum Interview gekommen ist«, ergänzte ich.
    »Nun ja … Ich bin auch in den Stadtheurigen gefahren«, murmelte er. »Der Kann-mich-Maler. Säuft wie ein Kind. Mit Strohhalm. Wodka mit Hut. Ich hab ihm gesagt, dass er so beschissene Bilder malt, weil Wodka blind macht.«
    Die Journalistin kam mit zerzausten Haaren an unseren Tisch. »Findet ihr, dass ich eine versoffene Funzn bin?«
    »Ja«, sagte meine charmante Begleitung. Die Journalistin nickte wehmütig, rülpste leise in den Raum und verließ das Lokal, einen schmalbrüstigen Schauspielschüler an der Hand.
    »Weißt du, was das Problem ist?« Franz blickte in eine unbestimmte Ferne. »Auf uns liegt zu viel Last. Wir wenigen tragen die Last eines ganzen Landes auf den Schultern. Ihr gschissenen Deutschen seid 80 Millionen und habt eine Kanzlerin, Theater, Zeitungen, Fernsehen, Hitparaden, Fleischhauer, Bäcker. Wir sind nur acht Millionen, müssen aber auch Kanzler haben und Maler und Theater und Musik und Lebensmittel und Tschickverkäufer, verstehst du? Zi-ga-ret-ten-Verkäufer. Obwohl wir so wenige sind. Wie soll man das aushalten? Von mir gibt’s in Deutschland zehn, und ich muss alles allein machen. Auch bestellen, weil du gschissenes Arschloch Wasser schlürfst wie ein krankes deutsches Pferd, du Holsteiner, du gschissener. Einen Pferdeleberkäs und einmal Striegeln für meinen norddeutschen Freund hier!«
    Zwei Stunden später verließen auch wir das »Anzengruber«, weil es seit über einer Stunde geschlossen hatte. Der vom Alkohol losgekommene Kabarettist ließ sich nicht wecken und wurde vorm Klo liegen gelassen, aber mit einer weißen Tischdecke zugedeckt, auf der herrlich riechende Gulaschflecken waren. Im Park vor dem »Kochclub« lag die Journalistin mit noch zerzausteren Haaren als zuvor auf der Parkbank vorm Gebüsch, neben ihr eine leere Zigarettenschachtel. Ich schrieb ihr auf die weiße Pappe: »Ich find dich ganz cool, für eine versoffene Funzn.« Dann weckte ich sie, und sie sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern. Dabei kam ich ja nur aus Deutschland. Ich sah mich um. Die Linde hatte einen Liebhaber gefunden.
    »Jeder deutsche Kartoffelsalat macht seine Sache im Ausland besser als du«, hörte ich nun und nickte.
    Als ich zu Hause ankam, bemerkte ich, dass meine Uhr stehengeblieben war.
    »Wie spät ist es?«, fragte die Wie-spät-ist-es-Frau.
    »Ich weiß es nicht. Meine Uhr ist kaputt«, rief ich zu ihr hinauf.
    »Wie bitte?«, rief sie.
    »Spät. Schon sehr spät«, sagte ich und ging ins Haus.
    Das Trikot war mir etwa sechs Nummern zu klein und roch nach einem chemischen Todescocktail.
    »Ich hab’s am Naschmarkt bei den Pakistanis gekauft. Es gab nur noch große Kindergrößen, die anderen Trikots sind ausverkauft. Wir haben halt gerade eine Europameisterschaft in der Stadt!« Franks Trikot reichte ihm nicht einmal über den Bauchnabel und war bereits an der Schulter gerissen.
    »Das ist albern, Frank. Das kann ich nicht anziehen. Da ersticken wir. Das ist für Sechsjährige.«
    Ich hatte mir das Trikot nur über den Kopf gezogen und steckte verzweifelt fest. Ich riss den Halsausschnitt auf, um es ausziehen zu können.
    »Ich habe elf Deutschland-Trikots gekauft. Mehr kann ich nicht machen. Die bayerischen Botschaftsschweine haben nicht einmal geantwortet! Kannst du dir das vorstellen? Scheiß-Piefkes! Mir reicht’s. Ehrlich!«, geiferte der friesische Piefke. Er schmiss
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