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Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)

Titel: Sechs Österreicher unter den ersten fünf: Roman einer Entpiefkenisierung (German Edition)
Autoren: Dirk Stermann
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das billige Trikot mit dem deutschen Bundesadler auf den Boden und stampfte mit seinen unglaublichen Waden darauf herum. »Wirklich. Was hab ich mit meinem Land zu tun? Nichts. Am Arsch können sie mich lecken. Und zwar gepflegt!«
    Frank war auf Deutschland nicht mehr gut zu sprechen. Seine Wespenstiche glühten vor Wut. »Nicht ich hab mich entfremdet. Deutschland hat sich von mir entfremdet. Sollen sie ihre Schnitzel mit Tunke fressen und daran ersticken!«
    »Vielleicht ist die Botschaft auch einfach der falsche Ansprechpartner für Trikotspenden?«, schlug ich vor.
    »Nicht nur dafür. Für alles! Diese Botschaft hat nur eine Botschaft: Bayern. Alles andere ist denen scheißschnurzpiepegal. Janssens Melkmaschine würde da drin nicht einmal nicht funktionieren, verstehst du? Nein, nein. Ich bin jetzt genauso lang hier wie du. Das hier ist das Land, in dem ich wohne und Steuern zahle. Und es ist ein gutes Land!«
    »Die Wespen dieses Landes haben dich zerstochen, Frank.«
    »Weil ich Deutscher bin. Oder war. Das kann ich dir sagen. Ich werde Österreicher. Damit wenigstens einer bei uns zu Hause Österreicher ist.«
    »Und ’s Gütli?«
    »Die ist Schweizerin. Vorarlberg. Es kommt immer auf die Blickrichtung an.«
    Hartmut hatte ein Pflaster auf der Stirn, weil ihm beim Joggen ein Modellflugzeug gegen die Stirn geflogen war. Er verteilte weiße T-Shirts von »Lego«. Er hatte auf allen Trikots das Lego-Logo durch einen Bundesadler austauschen lassen. Nur auf dem Rücken war ein großes rotes Legoklötzchen aus Kunststoff abgebildet. Natürlich verkaufte Hartmut bei »Toy, Toy, Toy« auch Fußballtrikots zur Fußball-EM, auch für Erwachsene, aber er war zu geizig gewesen, uns welche zu beschaffen. Die Lego-Hemden hatte er stapelweise im Lager liegen.
    »Außerdem passt Lego gut«, sagte Hartmut, als er unsere missmutigen Gesichter sah. »Lego heißt auf Dänisch: Spiel gut. Und das werden wir. So gut, dass die Österreicher Bauklötze staunen werden!«
    »Oh mein Gott«, sagte Rocco und verdrehte die Augen. »Kann man hier irgendwo seine Staatsangehörigkeit abgeben?«
    »Wir können ja wieder eine Mauer für dich bauen, wenn’s dir bei uns nicht passt«, sagte Hartmut. »Das sind übrigens Sven, Lars, Ralf, Michi und Bernd.« Er wies auf die von ihm mitgebrachten Mitstreiter hinter ihm. »Dirk hatte ja Probleme, genug Deutsche aufzustellen, hieß es. Jetzt sind wir elf.«
    Sven, Lars, Ralf, Michi und Bernd nickten uns anderen Deutschen freundlich zu und begannen sich aufzuwärmen.
    »Sven und Lars sind Controller bei der Deutschen Bank, Bernd ist Urologe am AKH. Kennst du nicht? Hast du noch keine Vorsorgeuntersuchung gemacht? Solltest du. Ab vierzig wächst sie, die Prostata, und der Beutel leiert aus.«
    »Welcher Beutel?«
    »Die Blase. Bernd macht Harnröhrenuntersuchungen. Schiebt das Gerät rein und sieht sich um, ob alles passt.«
    Ich sah mir Bernd an. Er hatte den Kopf einer Milchkuh mit zusammengekniffenen Augen. Außerdem kurze, dicke Finger, die ich nicht in meiner Harnröhre wissen wollte.
    »Michi und Ralf arbeiten in der Metternichgasse, in der Botschaft.«
    »Servus!«, riefen die beiden von der Botschaft.
    Frank stieß mich an. »Hast du das gehört? Bayern. Das sind niederste Niederbayern!« Seine Waden vibrierten, und seine Wespenstiche leuchteten auf.
    »Lass sie!«, sagte ich. Aber Frank schnaubte vor Wut. Er zog sein Lego-Hemd aus und warf es in Richtung der Botschaftsmitarbeiter.
    »Ich hab keine Lust, mit euch zu spielen«, sagte er. »Wirklich nicht. Tut mir leid, Dirk. Ich hab mir das schon die ganze Zeit überlegt. Eigentlich steh ich hier auf der falschen Seite.«
    Frank ging mit nacktem Oberkörper auf die andere Seite des Platzes, wo die Österreicher sich aufwärmten. Ich lief hinüber. Bis jetzt waren nur Franz, Doron, DJ Merchant, die Zwillinge, Guido und Borg da. Dass Borg gekommen war, überraschte mich. Für ihn war Fußball »die englische Krankheit«. Ich nahm an, er sah im Spiel die Chance, Jan körperlich nahe zu kommen.
    Frank stellte sich zu einem breitschultrigen Mann neben dem Tor, dessen Gesicht auch zerstochen war: Ludwig, der Sitzriese. Sein neuer Freund und Mentor bei der Freiwilligen Feuerwehr Kritzendorf.
    »Kann er mitspielen?«, rief Frank mir über den halben Platz zu.
    »Das müsst ihr Österreicher selbst entscheiden!«, schrie ich dem Ostfriesen zu, der mit seiner linken Wade den gesamten Pfosten verdeckte.
    »Ich glaub, dein Bruder sollte sich umziehen«,
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